Cover-Bild "Keine Rose ohne Dornen", sagte der Hase, als er die Igelin freite
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  • Verlag: Königshausen u. Neumann
  • Themenbereich: Biografien, Literatur, Literaturwissenschaft - Literatur: Geschichte und Kritik
  • Genre: keine Angabe / keine Angabe
  • Seitenzahl: 172
  • Ersterscheinung: 30.03.2022
  • ISBN: 9783826076213
Wolfgang Mieder

"Keine Rose ohne Dornen", sagte der Hase, als er die Igelin freite

Moderne Sagwörter aus Literatur und Medien
Es gibt eine lange Tradition sogenannter Sagwörter oder Wellerismen, wie man solche triadischen Formulierungen wie „Viel Geschrei und wenig Wolle, sagte der Teufel und schor ein Schwein“ und „‚Aller Anfang ist schwer‘, sagte der Dieb, da stahl er einen Amboß“ in der internationalen Forschung nennt. Das Wortspiel mit solchen dreiteiligen Texten – einer knappen Aussage (oft ein Sprichwort. eine Redensart oder ein Zitat), einem Sprecher/einer Sprecherin, und einer witzigen, ironischen oder satirischen Pointe – hat zu einigen wertvollen Sammlungen geführt, die auch Dialekttexte enthalten. Für die hier vorliegende Sammlung wurde allerdings kein Text aus diesen Zusammenstellungen übernommen. Vielmehr handelt sich bei den 1111 Belegen um sagwortartige Texte aus den Witzseiten bekannter Zeitschriften und Zeitungen, andere gehen auf die Welle der Sponti-Sprüche zurück, während eine erhebliche Anzahl als Graffiti entdeckt wurde. Andere erfundene Sagwörter stammen aus den literarischen Werken von Bertolt Brecht, Elias Canetti, Günter Grass, Rolf Hochhuth, Heiner Müller, Erwin Strittmatter, Kurt Tucholsky und Carl Zuckmayer. Es liegen aber auch Kurzgedichte von Arnfrid Astel, Manfred Hausin, Dieter Höss, Susanna Martinez, Liselotte Rauner und anderen vor, die sich um ein innovativ formuliertes Sagwort drehen. Vor allem haben die meisten Aphoristikerinnen und Aphoristiker ihre Kürzesttexte wenigstens hin und wieder in der triadischen Struktur der Wellerismen zum Ausdruck gebracht. So haben etwa Dietmar Beetz, Werner Ehrenforth, Ulrich Erckenbrecht, Klaus D. Koch, Gabriel Laub, Werner Mitsch, Markus M. Ronner, Werner Schneyder, Julius Stettenheim und Gerhard Uhlenbruck eine regelrechte Vorliebe für solche sagwortartigen Texte. Doch auch bekannte Namen wie Elazar Benyoëtz, Erwin Chargaff, Alexander Eilers, Wolfgang Eschker, Gerd Heyse, Dieter Höss, Stanislaw Jerzy Lec, Žarko Petan, Manfred Strahl, Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger und Vytautus Karalius treten wiederholt mit ihren spitzfindigen Sagwörtern auf, die nicht nur einen sprachlichen Spieltrieb, sondern durchaus auch ernsthafte Ansichten erkennen lassen. Von den hier zum ersten Mal verzeichneten Texten beruhen manche lediglich auf einer Wortspielerei, andere haben ihren Spaß an erotischen, sexuellen oder gar obszönen Aussagen und wieder andere Sagwörter nehmen Stellung zu soziopolitischen Problemen. Es ist erstaunlich, was sich alles in solchen knappen triadischen Aussagen zur Sprache bringen läßt, und zwar meistens mit einer unerwarteten Pointe im dritten Teil. Wie die traditionellen Sagwörter enthalten die hier alphabetisch nach Hauptstichwörtern aufgelisteten Belege die Alltäglichkeit, Fragwürdigkeit oder gar Absurdität des Lebens mit all seinen Enttäuschungen und Hoffnungen. Ob solche innovativen Texte mit ihren humorvollen und satirischen Aussagen je aus ihrer isolierten schriftlichen Fixiertheit in die mündliche Überlieferung eingehen werden, das ist sehr zu bezweifeln. Dennoch zeigen diese Texte zur Genüge, daß es in der modernen Literatur und den Medien eine gewisse Neigung zu sagwortartigen Formulierungen gibt, um in aller Kürze aussagekräftige Gesellschafts- und Menschenkritik zu üben.

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