Cover-Bild Es war einmal im Fernen Osten
24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Knaus
  • Themenbereich: Belletristik - Biografischer Roman
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 368
  • Ersterscheinung: 11.09.2017
  • ISBN: 9783813507690
Xiaolu Guo

Es war einmal im Fernen Osten

Ein Leben zwischen zwei Welten
Anne Rademacher (Übersetzer)

East goes West – Ein Leben zwischen zwei Welten.

Es ist kein einfacher Start ins Leben: Gleich nach der Geburt geben die Eltern, glühende Anhänger Maos, ihre Tochter in die Obhut eines kinderlosen Bauernpaares in den Bergen. Zwei Jahre später bringen diese die halbverhungerte Kleine zu ihren des Lesens und Schreibens unkundigen Großeltern. Ein Jahr später stirbt der Große Vorsitzende, und in China beginnt ein dramatischer gesellschaftlicher Wandel.

In ihrem neuen Buch erzählt die chinesische Autorin und Filmemacherin Xiaolu Guo von dem langen Weg, der sie aus einem ärmlichen Fischernest am Ostchinesischen Meer an die Filmhochschule im sich rasant verändernden Peking der 90er Jahre und schließlich 2002 nach London führt. 15 Jahre später beschreibt sie ihre Reise von Ost nach West mit einer Klarsicht, die nur jemand besitzt, der angekommen ist und sich zugleich fremd fühlt.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.08.2018

Ein schockierendes Portrait vom China der 70er Jahre — brutal, erniedrigend und deprimierend.

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Ein schockierendes Portrait vom China der 70er Jahre — brutal, erniedrigend und deprimierend.

„Es war einmal im fernen Osten“ von Xiaolu Guo schlummerte jetzt schon eine Weile auf meinem SUB, bis ich ...

Ein schockierendes Portrait vom China der 70er Jahre — brutal, erniedrigend und deprimierend.

„Es war einmal im fernen Osten“ von Xiaolu Guo schlummerte jetzt schon eine Weile auf meinem SUB, bis ich kürzlich endlich in der passenden Lesestimmung war und dieses autobiographische Buch gelesen habe. Und ich muss sagen, dieses Buch hat mich eine ganze Weile beschäftigt. Nicht, weil es besonders dick wäre, nein, sondern weil es ziemlich „dicht“ war, reich an Informationen, und es vieles zu verdauen gab. Xiaolu Guo schreibt über ihre Kindheit in der hintersten Provinz Chinas, wo sie, von ihren Eltern abgeschoben, bei ihren Großeltern lebt. Es ist ein sehr ärmliches Leben, Xiaolu ist stets hungrig und Bildung ist ein Fremdwort. Ihre Großmutter wird regelmäßig von ihrem Mann verprügelt und so lernt Xiaolu schon früh, wie es um das Frauenbild im China der 70er Jahre steht. Als sie sieben ist, wird sie von ihren Eltern heim geholt und soll fortan zur Schule gehen. Für ihre Mutter und ihren Bruder ist sie nur ein zusätzliches hungriges Maul, nur ihr Vater behandelt Xiaolu wie einen Menschen oder gar eine Gleichgesinnte — denn beide lieben die Kunst. Auf die Schule hat Xiaolu sich gefreut, doch ihr dämmert langsam, dass sie stark kurzsichtig ist, und so kann sie nur in den Fächern, in denen sie mit den Lehrbüchern arbeiten, bestehen. Freunde findet sie keine, denn man hänselt sie wegen ihrer bäuerlichen und ärmlichen Herkunft. Erst, als Xiaolu es mit knapp zwanzig auf die Filmhochschule Pekings schafft, gewinnt ihr Leben endlich an Qualität. Schließlich entwurzelt sich Xiaolu selbst, als sie beschließt, in den Westen — genauer gesagt nach England — zieht, um ihre Filmausbildung fortzuführen.

Kunst als Ausflucht
Xiaolu lernt als kleines Mädchen nie Lesen und Schreiben. Ihre Großmutter ist Analphabetin, wie sehr viele Frauen zu der Zeit in der Provinz, und hätte es ihr auch nicht beibringen können. Erst, als Xiaolu in die Schule kommt, lernt sie das geschriebene Wort kennen. Sie verliebt sich in die Bildhaftigkeit der chinesischen Schriftzeichen und saugt alles Wissen darüber auf. Schon bald beginnt sie, Gedichte zu schreiben, und befasst sich mit Literatur. Ihr Vater, selbst ein Dichter und Künstler, nimmt sie bei der Hand, reicht ihr Bücher großer Autoren und bespricht zusammen mit ihr ihre Gedichte. Xiaolu findet in der Kunst des Schreibens eine Ausflucht aus ihrem Leben, das bisher alles andere als gut zu ihr war. Stets fällt sie in Ohnmacht, da sie sich als unterstes Glied in der Familienhierarchie auch nur zuletzt zu Essen nehmen darf und dann dementsprechend wenig übrig ist. Hänseleien in der Schule machen ihr den Alltag schwer und die Kälte ihrer Mutter löst in ihr Hass aus. Xiaolu möchte nur noch raus aus der Provinz und den starren Strukturen und wählt für sich die Filmbranche als Ziel aus. Drehbücher schreiben, das will sie, ihre Geschichten auf der großen Leinwand sehen. Doch selbst, als sie während ihres Filmstudiums ihre ersten Drehbücher einschickt, hat sie nicht mit der umfassenden chinesischen Zensur gerechnet, die ihr seitenweise Verbesserungsvorschläge zusendet und selbst nach Ausbesserung ihre Drehbücher stets ablehnt. So beginnt Xiaolu, selbst zu filmen.

Gebundene Füße
Mit Xiaolu Guos Werk habe ich viel über die chinesische Kultur und auch die dortigen Traditionen gelernt. Die der gebundenen Füße fand ich besonders grausig. Der Gang von Xiaolus Großmutter wird als „trippelnd“ beschrieben, und auch wenn Xiaolu hier nicht ins Detail geht und lediglich den Begriff „gebundene Füße“ erwähnt, so musste ich doch einmal nachschauen. Das Füßebinden war in China noch bis ins 20. Jahrhundert ein weit verbreiterter Brauch, bei dem bereits den jüngsten Mädchen die Füße so zusammengebunden wurden, dass sich ihre Zehen krümmen und der Fuß wie ein Lotusblatt aussieht. (Jeder mit schwachen Nerven sollte jetzt lieber nicht googlen.) Die Zehen wurden durch diesen langjährigen Prozess gebrochen und verstümmelt. Ich mag mir gar nicht die Schmerzen vorstellen! Die Männer Chinas haben die kleinen Füße, die in winzige Puppenschühchen gesteckt wurden, angebetet, und waren der Meinung, es verleihe der Frau einen anmutigeren Gang. High Heels inklusive Fußverstümmelung quasi. Da die Frau ja sowieso nur zuhause tätig war, war es auch nicht vonnöten, dass sie mit den gebundenen Füßen weitere Strecken zurück legt. Zum Weglaufen vor der häuslichen Gewalt waren die gebundenen Füße auch nicht mehr geeignet.

Kinderbräute
"Zwölf Jahre. Was bedeutete das für mich? Ich war gerade fünf geworden, nach der alten Tradition würde man mich schon in sieben Jahren verheiraten. Vielleicht würde es für mich ja zwei Esel geben […]."

Genau wie Xiaolus Großmutter ist es vielen Frauen in China ergangen: Sie wurden in jungen Jahren an Männer zur Heirat verschachert. Da die Provinz sehr ärmlich war, wechselte als Bezahlung für die Tochter meist nur ein Sack Reis den Besitzer. Der freie Wille der Frau wird auch mit diesem Brauchtum ausgemerzt. Dadurch, dass die Mädchen so jung schon an den zukünftigen Mann übergeben werden, geraten sie schnell in eine Abhängigkeitssituation, da sie nichts anderes kennen als ihren Mann. Die mangelnde Bildung führt dann dazu, dass die Mädchen auch als Frau bei ihre Männern bleiben und sich um den Haushalt kümmern.

Gewalt gegen Frauen
"Meine Großeltern führten eine schreckliche Ehe. Großvater verprügelte seine Frau fast täglich […]."

Xiaolu beschreibt extensiv die Gewalt gegen Frauen in China. Nicht nur werden Kinder (sprich: Mädchen) im Elternhaus verprügelt, sondern die Gewalt zieht sich wie ein Faden durch das Leben der Chinesinnen: Frauen werden regelmäßig von ihren Männern verprügelt, die Gründe dafür sind nichtig. Eine Frau ist stets ihrem Mann untergeordnet und sollte sie einen Jungen gebären, steht dieser in der Rangliste auch über ihr. Im China zu Xiaolus Zeit wird Frauen kein Respekt entgegengebracht, Xiaolus Großmutter lebt ihr Leben lang sogar ohne einen Namen. Zudem werden sehr viele der Mädchen, die langsam ihren Kinderschuhen entwachsen, missbraucht. Niemand spricht ein Wort, keines der Mädchen traut sich, sich an irgendjemanden zu wenden. Wie auch, wenn man als Frau ganz unten in der Familienhierarchie steht und sowieso niemanden interessiert, was man zu sagen hat? Xiaolu selbst wurde Opfer des regelmäßigen Missbrauchs über zwei ganze Jahre hinweg. Erst an der Filmhochschule in Peking vertraut sie sich ihren Zimmergenossinnen an, die alle ähnliches durchlebt zu haben scheinen. Für sie ist der Sex in einer heterosexuelle Beziehung stets von Gewalt und sexuellen Übergriffen geprägt, deshalb empfindet sie Liebe als das genaue Gegenteil von Sex. Trotzdem versucht sich Xiaolu in Beziehungen; bereits während ihrer Schulzeit in der Provinz schläft sie regelmäßig mit einem 15 Jahre älteren Lehrer.Zu einem späteren Zeitpunkt erfährt Xiaolu dann die Gewalt, die ihrer Großmutter durch ihren Großvater widerfahren ist, am eigenen Leib, nämlich als sie in Peking eine Beziehung mit einem Mann eingeht, der sie regelmäßig verprügelt. Xiaolu flüchtet und trifft die Entscheidung, nie wieder etwas mit einem Chinesen anzufangen. Immer weiter entwurzelt sie sich von ihrer Kultur, immer weniger sieht sie sich selbst als Chinesin, immer weniger identifiziert sie sich mit dem Brauchtum Chinas.

Die vollständige Rezension findet ihr auf meinem Blog: https://killmonotony.de/rezension/xiaolu-guo-es-war-einmal-im-fernen-osten

Veröffentlicht am 02.05.2018

Ein sehr spannendes Leben.

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Xiaolus Leben beginnt holprig: Ihre Eltern, fanatische Anhänger Maos, geben ihre Tochter direkt nach der Geburt weg zu einem ärmlichen, kinderlosen Bauernpaar mitten in der Einöde der Berge. Halbverhungert ...

Xiaolus Leben beginnt holprig: Ihre Eltern, fanatische Anhänger Maos, geben ihre Tochter direkt nach der Geburt weg zu einem ärmlichen, kinderlosen Bauernpaar mitten in der Einöde der Berge. Halbverhungert und verwahrlost wird Xialou zwei Jahre später zu ihren Großeltern in ein Fischerdorf übergeben.
Kurz darauf stirbt Mao, der „Große Vorsitzende“ und ein rasanter gesellschaftlicher Wandel vollzieht sich in der Republik China.
Für Xialou ergibt sich die Möglichkeit, als Filmemacherin und Autorin aufzusteigen und ein Leben zwischen den Welten zu führen.

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Für mich eine zugegebenermaßen ziemlich unbekannte Person, Xiaolu Gu. Gehört hatte ich den Namen, in der Buchszene ist sie ja keine Unbekannte. Aber gelesen hatte ich noch nichts von ihr.

Biografien liebe ich - Leben sind so spannend. Egal ob Rockstars, Politiker, der „Unbekannte von nebenan“ oder eben eine Schriftstellerin und Regisseurin … man kann so viel mitnehmen aus den Geschichten anderer Menschen, erfährt so Vieles, was einem vorher unbekannt war.
Aus diesem Grund habe ich begeistert zugegriffen, als ich die Möglichkeit bekam, „Es war einmal im fernen Osten“ zu lesen.

Und ich wurde nicht enttäuscht.
Eine wahnsinnig spannende, oft herzzerreissende und sehr emotionale Reise, auf die man mitgenommen wird, wenn Xiaolu ihr Leben Revue passieren lässt.

Sprachlich sehr elegant, sehr persönlich wird man schnell reingezogen in die Erinnerungen der Schriftstellerinnen, lebt mit wenn sie berichtet.

Man erfährt viel über China, seine Politik und die Gesellschaft - und bekommt Einblicke in das oft so brutale kommunistische System Maos.
Unfreiheiten, Zwänge und grade die Rechtlosigkeit der Frauen werden einem sehr bewusst, wenn man liest und dann versteht, was Frauen wie Xiaolu mitgemacht haben.
Sie berichtet von Missbrauch, Armut und Gewalt, aus der sie sich nach und nach befreien kann, die sie aber für ihr Leben geprägt haben.
Grausam und faszinierend zugleich, die ersten Jahre in ihrem Leben, sehr gut geschildert und nachzufühlen.

Der Politik- und Machtwechsel in China eine Befreiung, nicht nur für Xiaolu. Man reist mit ihr über Peking und nach England, erlebt, wie sie zerrissen ist zwischen den Kulturen, fühlt ihr Heimweh und ihre Rastlosigkeit.

Ein bisschen flacht das Buch ab im letzten Drittel, es ist langatmiger und inhaltich weniger facettenreich.
Nichtsdestotrotz ist es eine wahnsinnig faszinierende Biografie einer spannenden Persönlichkeit und gleichzeitig ein sehr persönlicher und informativer Einblick in eine Kultur, die für uns oft fremd ist.