Ungewöhnliche Freunschaft mit vielen Facetten
Zadie Smith erzählt die Geschichte einer Frauenfreundschaft, die sich von den 80igern von Londoner Sozialwohnungen, über New York bis Afrika erstreckt und fast 30 Jahre umfasst. Erzählt wird aus der Perspektive ...
Zadie Smith erzählt die Geschichte einer Frauenfreundschaft, die sich von den 80igern von Londoner Sozialwohnungen, über New York bis Afrika erstreckt und fast 30 Jahre umfasst. Erzählt wird aus der Perspektive einer namenlosen "Ich"-Erzählerin, die ihre Beziehung zur gleichaltrigen Tracey zu unterschiedlichen Zeitpunkten beschreibt. Beide Mädchen haben eine dunkelhäutige Mutter und einen weißen Vater. Sie lernen sich als Kinder auf einer Ballettschule kennen und träumen davon, einmal die Sozialwohnungen hinter sich zu lassen und ein besseres Leben zu führen. Ihre Freundschaft ist von Anfang an facettenreich und nicht konfliktfrei. Tracey ist ehrgeizig, dominant und frühreif, schafft mit Bravour die Ballett- und Stepschule. Während für "Ich" der Traum von einer Bühnenkarriere ein Traum bleibt und sie später studiert. Die Wege beider trennen sich. "Ich" lernt später die erfolgreiche Pop-Sängerin Aimee kennen und jettet über mehrere Jahre mit ihr als Assistentin um die Welt bis nach Afrika, wo Aimee in Gambia ein Schulprojekt als weiße Retterin der Schwarzen realisieren will. Während all der Jahre versucht "Ich" den Kontakt mit Tracey nicht abbrechen zu lassen, sucht gedanklich oder persönlich ihre Nähe, indem sie z.B. ein Bühnenshow mit Tracey besucht... bis sich schließlich der Kreis zum Prolog schließt.
Zadie Smith ist das Portrait einer ungewöhnlichen Frauenfreundschaft gelungen, die trotz ihrer Ähnlichkeiten nicht unterschiedlicher laufen kann. Es geht um Liebe, Hass, Neid, aber auch um das Gewinnen und Verlieren. Smith ist dabei aus meiner Sicht eine sehr komplexe Geschichte gelungen, die mit unterschiedlichen Themen spielt. Dabei geht sie nicht chronologisch vor, sondern betrachtet immer aus der "Ich"-Perspektive bestimmte Stationen und Momente, wie durch eine Lupe, um die Freundschaft und die Entwicklung beider Charaktere zu beleuchten. Auffallend dabei ist, dass "Ich" als Hauptprotagonistin immer namenlos bleibt. Sie führt regelrecht ein Schattendasein. Sie wird für den Leser zum Kanal, um auf die Beziehung zu Tracey und auf Ihr Umfeld zu blicken. Stark fand ich auch die "Mutter-Tochter"-Beziehung, die sehr deutlich während der Geschichte zum Tragen kommt. "Ich" leidet unter der Dominanz ihrer Mutter, für die Schule und Bildung der Schlüssel zum Erfolg sind, während Tracey alle Freiheiten einer künstlerichen Laufbahn hat. Damit schneidet Smith ein Thema an, was nahezu berührt und zum Nachdenken einlädt. Man spürt förmlich, wie die Freundschaft zu Tracey für "Ich" zum Ankerpunkt wird. Jahrelang sucht sie nach einer Identität (stylistisch sehr gut durch das namenlose Ich gelöst), nach einem zu Hause und nach einer Zugehörigkeit. Das wird besonders deutlich, als sie nach Afrika - quasi zu ihren Wurzeln - kommt und sich dort dennoch wie ein Fremdkörper fühlt. Ich muss sagen, dass es mir die Geschichte zu Beginn schwer gemacht hat, hineinzufinden und auch zu mögen. Die Geschichte ist großartig durchdacht und hat sehr viel Tiefgang. Aber es fehlte mir durch die häufigen Wechsel zwischen der Kindheit und der älteren "Ich" der richtige Rhythmus, den ich aber ab Mitte des Buches sehr gut fand. Zadie Smith hat eine wunderbare Sprache und einen feinsinnigen Schreibstil. Durch die ungewöhnliche Perspektive wird man selbst als Leser zum Betrachter und das genau macht die Stärke dieses Buches aus.
Mein Fazit: Feinfühlige Geschichte einer Frauenfreundschaft über das Gewinnen und Verlieren, die beeindruckt.