1905. Sängerin Teresa begeistert über die Grenzen ihrer Heimatstadt Neapel hinaus die Menschen mit ihrer Stimme. Was außer ihrer Tochter Lucia niemand weiß: Teresa leidet unter extremen Stimmungsschwankungen, ist depressiv und oftmals schwermütig. Dies zwingt die beiden Frauen auch dazu, Italien fluchtartig zu verlassen und sich in Cleveland in den USA eine neue Existenz aufzubauen. Auch hier gelingt es Teresa bald, die Menschen kraft ihres Gesangs in ihren Bann zu ziehen. Doch Lucia hat andere Pläne, sie will endlich unabhängig sein und sich von Teresa lösen, um ein eigenes Leben führen zu können. Leider stellen sich ihr immer wieder Probleme und Schwierigkeiten in den Weg, als wolle das Schicksal sie an ihrer Entscheidung hindern. Lucia kämpft sich durch und nimmt ihr Leben selbst in die Hand, auch wenn dies bedeutet, anderen damit im Wege zu stehen oder deren Pläne zu durchkreuzen. Wird Lucia sich freischwimmen?
Pamela Schoenewaldt hat mit ihrem Buch „Das Lied der neuen Welt“ einen sehr spannenden und unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig sowie leb- und bildhaft, dem Leser gelingt es schnell, in die damalige Zeit abzutauchen und sowohl Lucia als auch Teresa wie ein unsichtbarer Schatten auf ihrem Weg zu begleiten. Der Spannungsbogen wird gemächlich aufgebaut und steigert sich während der Handlung gleichmäßig in die Höhe. Der Autorin gelingt es sehr gut, mit fundiertem historischen Hintergrund die Stimmung der damaligen Zeit heraufzubeschwören und dem Leser vor Augen zu führen. Die Stellung der Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts war recht beschränkt und nur sehr ambitionierte und starke Frauen sind mit ihren Ideen und Taten erfolgreich gewesen. Ebenso sind die verschiedenen gesellschaftlichen Schichten sowie die Lage der Einwanderer in einem fremden Land ein Thema, auch das Recht auf Bildung und die Unterdrückung der ärmeren Bevölkerung.
Die Charaktere sind sehr detailliert und individuell ausgearbeitet worden. Sie besitzen viel Kraft und Stärke, so dass der Leser von Anfang an eine Vorstellung von ihnen im Kopf hat und das Mitfiebern und Mithadern somit leicht fällt. Teresa ist eine begabte Sängerin, die in ihrer Heimat Italien einige Berühmtheit erlangt hat. Doch sie ist auch eine gezeichnete Frau, denn sie leidet unter starkem Verfolgungswahn, manischen Depressionen und Wahnvorstellungen, die sowohl ihr als auch ihrer Tochter das Leben schwerer und schwerer machen. Teresa ist regelrecht auf die Hilfe ihrer Tochter angewiesen. Doch Lucia ist ihrerseits eine junge Frau, die eigene Vorstellungen von ihrem Leben hat und die sich ihre Träume verwirklichen möchte. Dazu gehört für sie, sich von ihrer Mutter abzunabeln und eine Ausbildung. Lucia ist wissbegierig und hilfsbereit, sie opfert sich für ihre Mutter regelrecht auf. Dass sie sich endlich ein eigenständiges Leben zu führen wünscht, ist völlig normal. Lucia besitzt eine innere Stärke und Kraft, sich dem harten Alltag in allen Facetten zu stellen und sich durch nichts aufhalten zu lassen, um ihr Ziel zu erreichen. Auch die übrigen Protagonisten bereichern die Handlung durch ihr Erscheinen und ihre kleine Episoden.
„Das Lied der neuen Welt“ ist ein tiefgehender historischer Roman über Lebensträume und den Mut, diese nicht aus den Augen zu lassen, hart für sie zu kämpfen und die Hoffnung nie aufzugeben. Auf jeden Fall eine Leseempfehlung für alle, die gern Bücher über starke Frauenschicksale lesen.