Legend – Schwelender Sturm ist eine Fortsetzung, die nicht nur mit ihrem Vorgänger mithalten kann, sondern diesen sogar noch mühelos übertrifft und somit definitiv nicht zu den häufig schwächelnden Mittelteilen von Trilogien gehört. Marie Lu schafft es scheinbar kinderleicht den Leser von der ersten bis zur letzten Zeile an die Geschichte zu fesseln und sie so zu einem unvergesslichen Leseerlebnis zu machen.
Während der erste Teil, Legend – Fallender Himmel, noch relativ langsam begann, nimmt der zweite Teil schon auf den ersten Seiten schnell an Fahrt auf und die Autorin lässt die Handlung nur selten zur Ruhe kommen, sodass das Tempo konstant bleibt. Immer wieder sind Day und June auf der Flucht – sei es nun vor der Republik, den Patrioten oder den Kolonien – helfen dabei geheime Pläne auszuführen oder suchen nach einem Weg um genau diese wieder zu vereiteln. Langeweile kommt daher garantiert nicht auf und man ist schneller am Ende des Buches angelangt als es einem lieb ist, weil das bedeutet, dass man nun fast ein ganzes Jahr auf das Finale der Reihe warten muss. Und das fällt alles andere als leicht, denn Marie Lu konfrontiert ihre Leser auf den letzten Seiten noch mit einer schockierenden Enthüllung mit ungeahnten Konsequenzen.
Neben den vielen spannenden Stellen, die einem mehr als einmal den Atem rauben und den Herzschlag beschleunigen, gelingt es Marie Lu, vor allem durch die komplizierte Beziehung zwischen Day und June, tiefe Emotionen zu zeigen und auch beim Leser aufkommen zu lassen. Es gibt romantische Augenblicke, bei denen man die Schmetterlinge im Bauch beinahe schon selbst spüren kann; Worte, die so verletzend sind, dass sie einem das Herz brechen; Verräter, die einen wütend machen; unzählige schreckliche Erkenntnisse, die einem die Sprache verschlagen; eine tödliche Wahrheit, die einen verzweifeln lässt und ergreifende Momente, die einen zu Tränen rühren.
Der zweite Band wird ebenfalls wieder abwechselnd aus den Perspektiven von Day und June geschildert, was gleich mehrere Vorteile mit sich bringt. Zum Einen erfährt man so stets aus erster Hand, was jeweils bei ihnen vor sich geht, was gerade in den Zeiträumen notwendig ist, in denen die Beiden aus verschiedenen Gründen voneinander getrennt sind. Zum Anderen gibt es einem die Möglichkeit die beiden Protagonisten noch besser kennen zu lernen.
Days Gefühle für June sorgen sowohl in seinem Inneren als auch in seinem äußeren Umfeld für diverse Schwierigkeiten. Er mag sie, liebt sie wahrscheinlich sogar, was allerdings seine Beziehung zu Tess gefährdet, die er zwar ebenfalls liebt, doch mehr wie eine kleine Schwester als wie eine Geliebte. Vor anderen verteidigt er June, während er selbst ihr zum Teil ebenso die Schuld am Tod seiner Mutter sowie seines Bruders gibt oder zumindest nicht abstreiten kann, dass sie mit dafür verantwortlich ist. Obwohl er June bisher vertraut hat, kann er nicht verhindern, dass die Zweifel der Patrioten an ihrer Loyalität auch auf ihn übergreifen und er beginnt sie sowie ihre Taten in Frage zu stellen. Viel zu oft reduziert er seinen Wert auf den Inhalt seiner leeren Hosentaschen und glaubt daher nicht gut genug für June zu sein oder sich nicht mit anderen potenziellen Konkurrenten messen zu können.
Dabei entgeht ihm völlig, welche Wirkung er tatsächlich auf June hat, die ausgerechnet in seiner Nähe offenbar nie die richtigen Worte findet um sich ihm verständlich zu machen. So sehr sie sich nie um Geld sorgen musste, so unwohl fühlt sie sich inzwischen, wenn sie von Luxus umgeben ist, weil sie nun weiß, wie schlecht es anderen Leuten geht, die es besser verdient hätten. Für Day hat sie alles aufgegeben und ihr altes Leben hinter sich gelassen, was allerdings natürlich nicht spurlos an ihr vorüber gegangen ist. Ihre ganze Welt ist zusammen gebrochen und nachdem sie all ihrer früheren Illusionen beraubt wurde, weiß sie nun manchmal nicht, welchen Weg sie einschlagen soll, auf wessen Seite sie wirklich steht. Sie möchte Day unbedingt helfen seinen kleinen Bruder Eden zu finden, trotzdem steht sie nicht vollkommen hinter den Zielen der Patrioten. Sie ist nicht mit dem Unrecht einverstanden, was die Republik ihrer Familie und so vielen anderen zugefügt hat, will die Republik aber dennoch nicht untergehen sehen, sondern vielmehr zum positiven verändern.
Während Day sich von seinen Gefühlen leiten lässt, seiner Wut auf die Republik, insbesondere ihrer Regierung, mehr und mehr freien Lauf lässt und sein verzweifelter Wunsch Eden zu finden ihn seine einstigen Moralvorstellungen teilweise vergessen lässt, versucht June für sie beide einen klaren Kopf zu bewahren und sich auf ihre Intuition zu verlassen. Day zuliebe willigt sie ein den Patrioten zu helfen, vertraut ihnen jedoch nicht blindlings, sondern hinterfragt, wenigstens insgeheim, ihre Pläne und Motive. Sie lässt sich nicht einfach für ihre Zwecke benutzen und stellt sich von Anfang an darauf ein Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wenn sie es für erforderlich hält. Und das ist auch in Days Interesse, der leider erst zum Ende hin schließlich erkennt, dass er June bedingungslos vertrauen kann und sie als Team am besten funktionieren.
Doch man erfährt nicht nur mehr über Day und June, sondern ebenso über ein paar der Nebenfiguren, insbesondere Thomas, Kaede, Tess und Anden. Die Handlungen von Thomas und sein nach wie vor blinder Gehorsam bleiben so wenig nachvollziehbar wie bisher, auch wenn man ihn selbst nun besser verstehen kann. Tess verliert auf Grund ihres mangelnden Vertrauens und den daraus resultierenden Entscheidungen leider ziemlich an Sympathie. Kaede und Anden gewinnen dafür umso mehr Zuneigung für sich und man lernt sie sehr zu schätzen. Vor allem Anden sorgt für positive Überraschungen, denn er ist seinem Vater überhaupt nicht ähnlich. Die Bürger der Republik scheinen ihm tatsächlich am Herzen zu liegen und obwohl ihm so viele Steine in den Weg gelegt werden, ist er entschlossen die Zustände zu verbessern. Es tut einem daher richtig leid, dass seine Gefühle für eine gewisse Person nicht erwidert werden.
Außerdem bekommt man nun mehr Informationen über die Geschichte der Republik und wie und warum aus den Vereinigten Staaten, wie wir sie kennen, zwei separate Staaten wurden, die einander den Krieg erklärten. Ferner erhält man einen kurzen, aber aufschlussreichen Einblick in die Kolonien, die natürlich nicht das Paradies sind, das manche Republikbewohner sich erträumt haben.
FAZIT
Legend – Schwelender Sturm ist eine grandiose Fortsetzung, die den Trilogieauftakt noch einmal übertrifft und auf ein packendes Finale zusteuert, das man sich unter gar keinen Umständen entgehen lassen wird. Marie Lu gelingt es schon auf den ersten Seiten den Leser in ihnen Bann zu ziehen und fesselt ihn dann bis zur letzten Zeile.
Day und June sind nicht nur ein fantastisches Team, sondern auch ein tolles Paar, und nach diesem zweiten Band wünscht man sich nichts mehr als dass die Autorin ihren Figuren am Schluss des letzten Bandes das glückliche Ende gönnt, das sich die Beiden inzwischen mehr als verdient haben!