Die Ausbeutung der Natur und der Zynismus von Reality-Shows treffen hier aufeinander und verweben sich zu einem Coming-of-Age-Roman, der nichts erklärt, sondern nur in Frage stellt.
„Hier ist es schön“ von Annika Scheffel ist eines dieser Bücher, bei denen man nicht weiß, woran man ist. Allein der Klapptentext klingt nach Coming-of-Age, Sci-Fi, vielleicht auch Jugendroman — das hat ...
„Hier ist es schön“ von Annika Scheffel ist eines dieser Bücher, bei denen man nicht weiß, woran man ist. Allein der Klapptentext klingt nach Coming-of-Age, Sci-Fi, vielleicht auch Jugendroman — das hat mich neugierig gemacht. Das und dieses wunderwunderschöne Cover, auf dem man eine Sternenkarte sieht. Es geht um Irma, die ihr normales, plätscherndes Leben ein wenig satt hat. Als ein Fernsehsender junge Menschen sucht, die sich auf eine interstellare Reise begeben wollen, um das Fortleben der Menschheit zu sichern, zögert sie nicht lange und bewirbt sich. Und sie wird ausgewählt. Ihre Freunde und Familie sind schockiert und kommen nicht darüber weg, als Irma sie verlässt. Zehn Jahre soll sie nun in einer Art Arena leben, in der sie und die anderen Jugendlichen für die Mission trainiert werden — aber nur zwei von ihnen sollen später ausgewählt werden, um die Reise anzutreten. Wie sich der Sender das vorgestellt hat, dass man mit nur zwei Menschen einen neuen Planeten besiedeln soll, bleibt ein Geheimnis. ? Nach zehn Jahren, so heißt es, sollen die Familien ihre Sprösslinge noch ein letztes Mal sehen dürfen. Doch das fällt ins Wasser, und stattdessen sollen Irma (natürlich wurde sie ausgewählt!) und Sam (der das Leben außerhalb der Arena nicht kennt) sofort das Raumschiff besteigen. Doch Sam hat da andere Pläne. Bevor er die Erde verlässt, möchte er sie zumindest ein Mal gesehen haben. Irma folgt ihm, mehr genötigt als freiwillig, und begleitet ihn bei der ersten und letzten Reise auf unserem Heimatplaneten.
"Wir alle hier draußen suchen nach einer Zukunft, die sich lohnt. Ich frage mich, ob das so schlau ist — wer kümmert sich um die Gegenwart? Warum wird Lohnenswertes immer in anderen Zeiten, an anderen Orten vermutet? Ich habe […] irgendwie das Gefühl, wir lassen die Gegenwart im Stich."
Dieser Roman hat es innerhalb der ersten Seiten geschafft, dass ich mich so auf das noch Kommende gefreut habe, es ist unfassbar. Durch Briefe, die allerlei Personen an Irma, als sie schon in der Arena war, gesendet haben, erfährt man zunächst nicht viel. Doch irgendwie auch schon zu viel. Aber man weiß noch nicht alles, man wird neugierig. Sehr neugierig. Wie ist der Alltag in der Arena? Wie sieht das Raumschiff aus? Und wann geht’s denn auf ins All? Das sind alles Fragen, die unbeantwortet bleiben. Über den Alltag in der Arena erfährt man wenig bis kaum etwas, das Schiff wird nur verschwommen beschrieben und wann es ins All geht, weiß ich auch nicht. Nachdem Annika Scheffel von den Briefen nach draußen, außerhalb der Arena, wechselt, fällt der Spannungsbogen rapide ab. Wir erfahren allerhand über Irmas Familie und auch, was aus ihren Freunden geworden ist, wie alle gespannt die Fernsehsendung schauen und in den Aufzeichnungen nach einem Zeichen suchen, dass Irma ihre Briefe gelesen hat. Irmas Eltern fallen immer tiefer in ein schwarzes Loch, und vor allem ihre Mutter kommt mit dem Verlust ihrer Tochter überhaupt nicht zurecht. Die Charaktere von Irmas Mutter und Vater, ja sogar von Sam, sind wunderbar ausgefleischt — im Gegensatz zu Irma selbst: Sie ist die Person, die ich in diesem Roman am wenigsten mag. Sie erscheint trotzig, stur, launisch und nicht besonders freundlich. Da habe ich deutlich mehr mit ihren Eltern mitgefühlt, die darunter leiden, dass ihre Tochter sich gegen ein Leben mit ihnen, auf der Erde, entschieden hat und allen und allem den Rücken kehrt.
Die vollständige Rezension findet ihr auf meinem Blog: https://killmonotony.de/rezension/annika-scheffel-hier-ist-es-schoen