Meinung
Was für eine beängstigende Vorstellung... da lebt man sein halbwegs perfektes und glückliches Leben vor sich hin und plötzlich, auf Basis eines Gentests, heißt es: "Du bist ein Mörder. Und wenn Du jetzt noch keiner bist, dann wirst Du 100% irgendwann einer werden." So ergeht es Davy. Als musikalisches Wunderkind gelobt, mit einer Zusage für die Juilliard in der Tasche wird sie positiv auf das "Mörder-Gen" getestet und alles zerfällt in seine Einzelteile. Ihre Eltern reagieren hilflos, ihr Freund herzlos, ihre Freunde lieblos und sie selbst fühlt sich machtlos. Plötzlich mehr oder weniger abhängig von der Regierung und der Wainwright-Behörde wird sie an eine andere Schule gebracht. Doch besser wird dort nichts. In einen Käfig gesperrt sitzt sie dort mit anderen potentiellen Mördern und dort nimmt das Buch dann auch an Fahrt auf und Davy wird auf einige harte Proben gestellt.
Sehr gefallen hat mir, dass jedem Kapitel ein Textauszug vorangestellt war. Das waren zum Beispiel Erklärungen über das Gen, Gesetztestexte, Telefonprotokolle, SMS-Chats und so weiter. Manchmal stellten diese einen direkten Bezug zum nachfolgenden Kapitel her oder waren sonst einfach nur sehr interessant. Dieses Textauszüge haben sehr dabei geholfen, schon einen kleinen Blick hinter die Maschinerie der Wainwright-Behörde werfen zu können, die das Prozedere um das Gen überhaupt erst in Gang gesetzt hat.
Begeistert war ich außerdem vom Cover! Mal ganz abgesehen davon, dass es sowieso schon einfach toll aussieht, nimmt es direkten Bezug zur Geschichte, was ich großartig finde. Die Träger, die nämlich gegen den Regelkatalog verstoßen, werden markiert. Diese Markierung wird auf den Hals tätowiert und besteht aus einem H in einem Kreis und einem Band, dass an einer Seite des Kreises beginnt und an der anderen Seite endet. Und genau das sieht man auf dem Cover.
Davy ist eine tolle Protagonistin, mit der man mitleiden und mitfiebern kann. Allerdings hatte ich zwischendurch auch meine Probleme (einer der Punkte, warum das Buch einen Chaosklecks weniger bekommt.) Ich kann verstehen, dass ihre Welt zusammenbricht. Wem würde das nicht so gehen?! Was mich aber störte, war die Tatsache, dass sie alle paar Seiten erwähnte, dass sie ja nur von potentiellen Mördern umgeben sei und dass sie sich daran erinnern müsse, dass diese potentiellen Mörder gefährlich seien. Im gleichen Atemzug beschwert sie sich aber über die Gesellschaft, die Träger des Gens (also auch sie) so abwertend behandelt. Sie verhält sich aber ihren Mitschülern gegenüber nicht großartig anders. In diesem Punkt hätte die Autorin meiner Meinung nach irgendwann mal die Biege bekommen müssen, denn dieses "Jammern" und "Angst haben" zieht sich das ganze Buch hindurch. Abgesehen davon merkt man aber, dass Davy insgesamt mutiger wird und auch für sich selbst einsteht. (Ob das nun durch ihre Entwicklung geschieht oder durch das Mördergen ausgelöst wird, wird wohl erst im Folgeband klar werden).
Sean, den Davy in der neuen Schule kennen lernt, ist auf den ersten Blick ein harter Kerl, durchaus auch ein bisschen Bad Boy, aber hauptsächlich abweisend und in sich gekehrt. Mit der Zeit zeigt er allerdings immer mehr von seiner freundlichen, hilfsbereiten Seite, so dass man ihm als Leser auch schon nach kurzer Zeit verfallen ist.
Die Annäherung der Beiden hat Sophie Jordan sehr gut beschrieben. Davy mit ihren oben beschriebenen Vorurteilen und Ängsten ist erstmal genau so wenig an Sean interessiert, wie er an ihr. Doch nach und nach kommen die beiden sich näher, lernen sich kennen und vielleicht ja auch lieben?
Der Schreibstil der Autorin ist für mich gewöhnungsbedürftig. Oft schreibt sie in sehr kurzen Sätzen. Und das hintereinander. So wie ich das gerade mache. Selten mit mehr als 6 Wörtern.
Das kann in manchen Situationen sehr poetisch und wunderschön sein, gerade auch, um Angst deutlich zu machen. Diese Passagen habe ich sehr gern gelesen und wurde auch auf einen bestimmte Art dabei berührt. Da sich dieser Schreibstil aber sehr oft im Buch wieder fand, wurde das Lesen teilweise schon sehr anstrengend, weil der Lesefluss zu sehr abgehackt wurde. Dieses ist auch einer der Gründe, warum das Buch einen Stern weniger bekommt.
Fazit
Auf jeden Fall ein lesenswertes Buch, wenn auch mit einem leicht gewöhnungsbedürftigem Schreibstil. Das Thema ist toll und auf jeden Fall einmal etwas Neues.