Der Freiheit entgegen...
19. Jh. Neustadt in der Pfalz. Die junge Charlotte Trautmann lebt zusammen mit ihrem Vater, der eine eigene kleine Druckerei betreibt und ist mit einem jungen Winzer namens Friedrich verlobt. Die Lage ...
19. Jh. Neustadt in der Pfalz. Die junge Charlotte Trautmann lebt zusammen mit ihrem Vater, der eine eigene kleine Druckerei betreibt und ist mit einem jungen Winzer namens Friedrich verlobt. Die Lage ist schwierig, denn durch die Herrschaft der Bayern wird das einfache Volk unterdrückt sowie jeglicher Handel mit hohen Zöllen belegt, so dass ein jeder kaum ein Auskommen hat. Unter der Bevölkerung macht sich schon lange Unmut breit und immer mehr lehnen sich gegen die Unterdrückung auf, wollen frei sein und auch freien Handel betreiben. So auch Friedrich, der kurz darauf beim Schmuggeln getötet wird. Charlottes Vater verdient sich nebenbei ein kleines Zubrot mit dem Drucken von verbotenen Liedern und Schmähschriften, die der Revolution dienen. Eines Tages wird er dafür verhaftet und lässt Charlotte allein zurück. Charlotte hat selbst keine andere Möglichkeit, als ihre Heimat zu verlassen, wenn sie in Freiheit leben möchte. So macht sie sich auf zu einem Bekannten ihres Vaters, der ihr bei einer Überfahrt nach Amerika behilflich sein soll. Als verkleidet sich Charlotte als junger Mann und reist so durchs Land bis nach Bremerhaven, wo sie an Bord der Isabella als Karl Messmer in die neue Welt aufbricht…
Katrin Tempel hat mit ihrem Buch „Über dem Meer die Freiheit“ eine sehr unterhaltsamen historischen Roman der Neuzeit vorgelegt. Der Schreibstil ist schön flüssig und sehr lebhaft, der Leser taucht schnell in die Handlung ein und steht als Schatten an Charlottes Seite, beobachtet sie bei ihrem täglichen Leben und begibt sich mit ihr auf die große Reise in eine neue Welt. Der Spannungsbogen wird langsam aufgebaut, steigert sich jedoch nach und nach. Die Landschafts- und Reisebeschreibungen sind sehr bildhaft und lassen vor dem inneren Auge des Lesers ein tolles Kopfkino entstehen. Die Autorin hat sehr gut recherchiert und beschreibt nicht nur die harten Arbeitsbedingungen und die Knechtschaft der Bayern über das gemeine Volk, sondern auch die harten Reisebedingungen und Entbehrungen, denen sich die Freiheitsliebenden aussetzten, um in Amerika ein neues Leben zu beginnen. Besonders schön erzählt die Autorin, wie Charlotte die ersten Schritte in Amerika unternimmt und welchen Herausforderungen sie sich stellen muss. Der historische Hintergrund wurde sehr schön mit der Handlung verknüpft.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet. Sie haben alle sehr individuelle Eigenschaften, die sie lebendig und authentisch erscheinen lassen. Man kann mit ihnen mitfühlen, leiden und freut sich über kleine Erfolge. Charlotte ist eine sympathische junge Frau, offen und ehrlich und in einem liebevollen Zuhause aufgewachsen. Sie ist fleißig und sich für keine Arbeit zu schade. Das Schicksal hat ihr schon allerlei aufgebürdet und lässt ihren Wunsch nach Freiheit und einem neuen Leben so groß werden, dass sie diese Aufgabe mutig in Angriff nimmt. Durch ihre freundliche und hilfsbereite Art bekommt sie oftmals Hilfe von Fremden und auch so manche Freundschaft entwickelt sich daraus, die sich als hilfreich für sie herausstellt. Mathilde Unruh ist eine ältere Dame, die mit ihrer Nichte Louise reist. Mathilde ist eine gesetzte Matrone, die oftmals nörgelt und sich beschwert, allerdings hat sie einen weichen Kern, den es zu entdecken gilt. Louise ist eine kränkliche junge Frau, die sich wünscht, Schriftstellerin zu werden und bald schon zu Charlottes Vertrauten wird. Georg ist ein sympathischer junger Mann, der Jura studiert hat, aber am liebsten eine eigene Zeitung herausbringen würde. Auch die weiteren Protagonisten sind mit ihren Aufgaben und ihrem Erscheinen eine Bereicherung für die Handlung und machen die Geschichte rund.
„Über dem Meer die Freiheit“ ist genau der richtige Titel für diesen schönen historischen Roman. Die Geschichte einer Frau, die in Männerkleidern reist, ist vielleicht nicht neu, doch diese ist schön erzählt und lässt den Leser bei der Lektüre ein schönes Kopfkino erleben. Die Liebe kommt in dieser Geschichte auch nicht zu kurz. Ein Buch für alle, die eine gewisse Vielfalt in der Handlung lieben und gern selbst als unsichtbarer Schatten die Abenteuer miterleben wollen. Absolute Leseempfehlung!