Komplex und spannend
Melli Franck, Wirtin eines Promilokals, wird bestialisch ermordet. Vincent Veih und sein Team ermitteln und stellen schnell fest, dass bereits die Frage nach dem Motiv nicht einfach ist. Mellis Lokal stand ...
Melli Franck, Wirtin eines Promilokals, wird bestialisch ermordet. Vincent Veih und sein Team ermitteln und stellen schnell fest, dass bereits die Frage nach dem Motiv nicht einfach ist. Mellis Lokal stand kurz vor der Pleite, die Wirtin hat nicht nur Drogen konsumiert, sondern womöglich auch selbst gedealt, ein Mitarbeiter war kurz vor der Tat gefeuert worden – doch die Art des Verbrechens deutet auch noch auf andere Motive hin.
Vincent Veih hat private Probleme, die Teilnahme an einer Demonstration droht zu entgleiten, Vieles deutet darauf hin, als hätte er die gebotene Beamtenneutralität verletzt und in aller Öffentlichkeit Gewalt angewendet – seine Karriere steht auf dem Spiel und die Presse veröffentlicht Fotos.
Ronny Vogt hat ganz andere Probleme. Nachdem er jahrelang für den Verfassungsschutz undercover im rechten Milieu unterwegs war, wird er nun auf vermeintliche Drogendealer angesetzt. Doch seiner Vergangenheit zu entkommen, ist nicht einfach – und da ist auch noch der gerade laufende NSU-Prozess, dessen Hauptangeklagte ihm nahe steht.
Vincent Veih ermittelt bereits in seinem dritten Fall, für mich ist es jedoch der erste. Er ist ein sehr interessanter Ermittler, die Mutter, Brigitte Veih, ehemalige RAF-Terroristin, mittlerweile frei gelassen, ist nun als Künstlerin und in der Flüchtlingshilfe tätig, der Großvater, bei dem Vincent aufgewachsen ist, war nicht nur Nazi, sondern auch Täter im Dritten Reich, Vincents Vater hält Brigitte geheim, offenbar um ihren Sohn zu schonen – und trotz dieses nicht leichten Hintergrundes, wirkt Vincent sympathisch, integer und offen.
Die Geschichte ist sehr komplex und wird aus vielen verschiedenen Perspektiven erzählt. Erst nach und nach verknüpfen sich die einzelnen Erzählstränge und ergeben erst im Laufe der Zeit ein zusammenhängendes Bild. Die Verknüpfungen sind teilweise überraschend, wirken auf mich aber durchgehend passend. Vor allem ist das Geschehen hochaktuell und sattelt auf reale Vorkommnisse auf. Der Autor liefert eigene und durchaus mögliche Erklärungen und bleibt nahe an der Realität. Seine Kritik an (manchen) Behörden, ihren Manipulationen und Klitterungen, und an der Presse ist groß, aber auch scheint Vieles möglich, ohne dass man gleich Verschwörungstheorien nachhängen müsste, an manchen Stellen möchte man lieber nicht wissen, wie nahe der Autor der Wahrheit gekommen ist. Insgesamt wird der Leser zum Nachdenken angeregt und das ist, schon wegen der brisanten Thematik, allemal gut.
Horst Eckert erzählt flüssig und spannend, schnell wird der Roman zum Pageturner. Man bangt und hofft mit den Protagonisten, ärgert und ekelt sich mit ihnen. Nicht für alle gibt es ein gutes Ende, auch das ist realistisch. Die Auflösung des Mordfalles ist nachvollziehbar, ebenso wie die anderen Entwicklungen. Die Charaktere sind durchweg gelungen ausgearbeitet und wirken authentisch. Sehr gut dargestellt sind z. B. die Nöte eines Undercover-Ermittlers, der sich dem observierten Milieu anpassen, oft gegen seine Überzeugungen handeln, womöglich sogar töten, muss, dabei immer Gefahr läuft, der Beeinflussung zu erliegen, und sich zusätzlich in ständiger Lebensgefahr befindet.
Sehr gut haben mir Prolog und Epilog gefallen, denn hier erhält ein Opfer Stimme – und das passt sehr gut zum Anhang, in dem die Todesopfer rechter Gewalt in Deutschland seit dem 03.10.1990 aufgelistet werden: Mehrere Seiten lang!
Mich hat der Roman sehr schnell gepackt, ich mag seine Komplexität und Aktualität und finde ihn ungeheuer spannend. Ganz sicher werde ich die beiden Vorgängerromane noch lesen und vergebe gerne volle Punktzahl und eine Leseempfehlung.