bewegend
Ich habe am Tag vor Lesebeginn den Film „Schindlers Liste“ nochmal angesehen und dies hat dazu geführt, dass ich das ganze Ausmaß des Grauens und des Erschreckens von Frau Teege noch tiefer nachempfinden ...
Ich habe am Tag vor Lesebeginn den Film „Schindlers Liste“ nochmal angesehen und dies hat dazu geführt, dass ich das ganze Ausmaß des Grauens und des Erschreckens von Frau Teege noch tiefer nachempfinden konnte. Das Buch ist in mehrere große Kapitel unterteilt.
Da ist zuerst der Großvater. Die Erzählung über seine Gräueltaten und auch seines Endes sind schwer zu ertragen. Viele Sätze treffen wie Keulenschläge und erzeugen bewegende Bilder im Kopf. Die unbegreifliche Grausamkeit und der gelebte Sadismus von Amon Göth machen ihn zu einem Menschen, der wie eine böse Persiflage wirkt und dessen Taten man nur als gegeben nehmen kann, aber nicht wirklich versteht.
Schwerer fällt der Autorin und dem Leser sicherlich im nächsten Kapitel zu begreifen, wie die Großmutter, Ruth Irene Göth, solch einen Menschen lieben und ihr Leben lang als den perfekten Mann im Gedächtnis halten konnte und wie sie zwischen all den Grausamkeiten von Amon Göth leben und ruhig atmen konnte. Bewundert habe ich hier Jennifer für ihre absolute Ehrlichkeit uns und vor allem sich selbst gegenüber. Denn während sie Amon Göth nie persönlich kennen gelernt hat, ist ihre Großmutter lange der einzige Mensch, der ihr Zuneigung entgegen bringt und bei der sie sich sicher fühlt.
Im dritten Kapitel versucht Jennifer Teege der Frau nachzuspüren, die Ihre Mutter ist und die sie schon als Kleinkind in ein Heim gegeben hat aus dem sie in eine Pflegefamilie kam, die sie später auch adoptiert hat und die heute noch ihre eigentliche Familie ist.
Am Ende schlägt das Buch einen Bogen zur Gegenwart, zu Israel und zu Jennifers Freunden und Familie. Das Buch ist ein langer emotionaler Weg der Autorin in dem sie nicht nur die Entdeckung verarbeitet, dass sie einen Kriegsverbrecher und Mörder zum Großvater hatte, sondern auch eine Reflektion ihrer eigenen Lebensgeschichte mit der Adoption, der Pflegefamilie, Depressionen.
Die Ehrlichkeit von Frau Teege hat mich bewegt. Sie findet kluge und ehrliche Worte, frei von Pathos und übertriebener Dramatik. Schön fand ich auch, dass das Buch abwechselnd aus Jennifers und aus der Sicht einer neutralen Beobachterin (Nicola Sellmair) berichtet und so auch Aspekte, Meinungen und Eindrücke Dritter einen Weg in die Geschichte finden und das Bild komplettieren.
Nach langer Zeit habe ich mich wieder intensiver mit dem Thema des Holocaus beschäftigt. Diesmal auf eine ganz neue Art, nämlich nicht nur mit den Tätern und Opfern sondern auch mit den Nachkommen, in diesem Fall mit Jennifer Teege, die erst als erwachsene Frau erfährt, wer ihr leibliche Familie wirklich war und lernen muss damit zu leben. Das Buch ist es Wert, dass man sich Zeit dafür nimmt.