Von lauen Brisen bis zum stärksten Orkan
Inzwischen lebt Ricarda mit dem Brauerei-Erben Georg in München. Als gute Frau versucht sie, ihre Sehnsucht nach Berlin und dem gewohnten Leben zu unterdrücken. Mit Georgs Einverständnis und Unterstützung ...
Inzwischen lebt Ricarda mit dem Brauerei-Erben Georg in München. Als gute Frau versucht sie, ihre Sehnsucht nach Berlin und dem gewohnten Leben zu unterdrücken. Mit Georgs Einverständnis und Unterstützung eröffnet sie eine Praxis. Die wird jedoch nicht so angenommen, wie das in Berlin war. Dann tauchen Schatten am Horizont auf und ein schreckliches Geheimnis aus ihrer Vergangenheit drängt ans Licht. Ricarda droht alles zu verlieren …
Schon der erste Teil „Das Licht der Welt“ hat mich unbeschreiblich in seinen Bann gezogen. „Stürme des Lebens“ setzt diese Faszination fort und fesselte mich komplett. Das ist besonders erstaunlich, da ich kein großer Historische-Romane-Fan bin. Doch die Geschichte der Ricarda Petersen (dann Kögler und schließlich Thomasius) ist so wunderbar gelungen, dass man sie einfach lieben muss. Es ist die Geschichte der Frauen in jener Zeit, die Geschichte von Veränderungen, Ungerechtigkeiten, dem Kampf der Frauen um Anerkennung in diversen Berufen, die Geschichte der Macht und deren Missbrauch der Männer gegenüber Frauen und Kindern – kurz, es ist die Geschichte jener Zeit, die uns heute so unendlich fern scheint, aber gar nicht so lange her ist. Wie froh können wir sein, dass wir im Hier und Jetzt leben, so viel erreicht haben! Mit Blick auf jene Zeit ist es erstaunlich, über was wir heute jammern.
Helene Sommerfeld ist es wunderbar gelungen, Ricarda immer wieder neue Dinge erleben zu lassen, ohne ihr Leben komplett zu einer Soap verkommen zu lassen. Die Ereignisse erwachsen geradezu aus der Geschichte heraus, ergeben in sich Sinn und passen zueinander, auch wenn rückwirkend betrachtet entsetzlich viel geschieht, das schon einzeln eine große Bürde für eine Frau – zumal in jener Zeit – ist. Nein, es ist kein durchschnittliches Leben, das Ricarda da führt, aber all diese Ereignisse sind stimmig und das Autorenehepaar lässt uns daran eben bei einer einzigen Frau bzw. Familie teilhaben. Das ergibt einen Geschichtsunterricht der ganz besonderen Art und ich gestehe, so bleibt bei mir auch wirklich viel hängen. Dies ist also ein Roman, bei dem man tatsächlich noch dazulernt.
Der Roman sprüht geradezu vor Lebendigkeit und gleich, an welchem Ort der Erde er gerade spielt, man ist so dicht dabei, dass man fast schon Dinge greifen kann, die Landschaft sieht, die Luft riecht und die Geräusche hört. Medizinische Begriffe und ärztliche Eingriffe werden so geschildert, dass auch ein Laie etwas damit anfangen kann. Man kann nicht umhin, sich zu wundern, wie weit die Medizin in so wenigen Jahren gekommen ist und ist automatisch dankbar, nicht damals gelebt zu haben, auch wenn man gleichzeitig sehr gern Teil dieser tollen Entwicklungen gewesen wäre.
Zugleich tröstet das Buch auch – hier erlebt man eine Frau, die einen Schicksalsschlag nach dem anderen zu verkraften hat. Die eigenen Sorgen und Nöte werden dadurch nicht kleiner, aber man zieht Kraft aus Ricardas Stärke und nimmt sie mit in den eigenen Alltag. Ricarda steht ihre Frau, auch wenn sie gerne auch mal schwach sein möchte. Doch damals wäre das fatal gewesen und so kämpft sie und wirkt auf manche dadurch etwas hart und gefühlskalt. Das ist sie jedoch absolut nicht. Ihr Weg ist alles andere als leicht und eben.
Für mich ist dies ein großartiges Werk, das es wert ist, lange Zeit auf den Bestsellerlisten zu verharren. Beate Rysopp ist wie geschaffen als Sprecherin dafür. Sie haucht nicht nur Ricarda mit einer perfekten Interpretation Leben ein, sondern auch allen anderen Figuren. Man hört ihr einfach super gerne zu.
Kurz und knapp: Großartig! Ich gebe die vollen fünf Sterne!
Dieser Band endet mit einem herzergreifenden Cliffhanger und ich kann kaum erwarten, „Die Wege der Liebe“ zu genießen.