Geheimnisvolle Familientragödie
Nach einem Jahr im australischen Sydney kommt Maggie ins englische Cloud Green zurück, um sich um Lillian zu kümmern, die knapp 90-jährige Stiefmutter ihres Vaters, die nach einem Unfall im Krankenhaus ...
Nach einem Jahr im australischen Sydney kommt Maggie ins englische Cloud Green zurück, um sich um Lillian zu kümmern, die knapp 90-jährige Stiefmutter ihres Vaters, die nach einem Unfall im Krankenhaus liegt und auf deren Landsitz Cloudesley Manor sie aufwuchs. Ihre Rückkehr wird auch von den Einheimischen zur Kenntnis genommen, die sich noch gut daran erinnern können, wie Maggie vor einem Jahr die Flucht ergriff. Der der gebrechliche Zustand ihrer Großmutter versetzt Maggie einen ebenso großen Schock wie der Verfall des Herrenhauses. Ob es Maggie wohl gelingt, das Anwesen zu retten. Doch vor allem das verschlossene Zimmer im Westflügel hat es Maggie angetan, denn sie erhofft sich, endlich zu erfahren, warum es niemand betreten darf. So begibt sich Maggie daran, das Geheimnis endlich zu lüften. Wird ihre Großmutter sich ihr öffnen und sie einweihen?
Hannah Richell hat mit „Pfauensommer“ einen wunderschönen und packenden Roman vorgelegt, der nicht nur mit einem flüssigen und farbenprächtigen Schreibstil besticht, sondern den Leser auch auf eine Zeitreise einlädt, die ihn in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts katapultiert. Die Geschichte wird über zwei Zeitebenen erzählt, wobei der eine sich mit der Gegenwart um Maggie befasst, der andere aber ins Jahr 1955 abtaucht, um die Vergangenheit rund um Lillian zu beleuchten. So bekommt der Leser einen guten Einblick in die Familiengeschichte und darf nach und nach mit Maggie dem Geheimnis auf die Spur kommen, welches die Autorin sehr geschickt und gefühlvoll nur Stück für Stück preisgibt. Die Landschaftsbeschreibungen sind wunderbar bildhaft und lassen den Leser während der Lektüre das alte Anwesen immer wieder neu entdecken, zum einen als renovierungsbedürftige Ruine, zum anderen als ein Haus voller Leben und Begegnungen. Der Spannungsbogen wird gemächlich aufgebaut und steigert sich während des Handlungsverlaufs immer mehr, was auch dem gut verwobenen Perspektivwechsel geschuldet ist.
Die Charaktere sind sehr vielschichtig angelegt und mit Leben versehen worden. Mit ihren individuellen Ecken und Kanten wirken sie glaubwürdig und realitätsnah, was es dem Leser erleichtert, mit ihnen zu fühlen. Maggie ist eine Frau mit Verantwortungsgefühl, doch sie wird auch von Selbstzweifeln geplagt. Sie besitzt eine gesunde Neugier, die ihr fast zum Verhängnis wird. Lillian ist eine bewundernswerte alte Dame, die in ihrem Leben so einiges ertragen musste. Sie war als Frau ihrer Zeit in einer Ehe gefangen, in der sie einiges an Leid erfahren hat. Lillian ist uneigennützig, aber einsam, was sie in eine Situation schlittern lässt, die eine Katastrophe heraufbeschwört. Ehemann Charles ist ein Widerling und Despot, unter dem der gesamte Haushalt zu leiden hat. Er schreckt auch vor Gewalt nicht zurück. Albie ist ein lieber kleiner Junge, der schnell das Herz von Lillian erobert. Jack ist Künstler und gewinnt mit seiner feinfühligen und sensiblen Art. Aber auch die weiteren Protagonisten wissen durchaus mit ihren Auftritten zu überzeugen.
„Pfauensommer“ ist ein rundum fesselnder und gefühlvoller Roman über die Liebe, Familiengeheimnisse, Lügengebilde, Verlust und Schmerz. Wunderbarer Lesegenuss mit dem verdienten Prädikat einer absoluten Leseempfehlung ausgezeichnet!