Klappentext:
Am ersten Tag verliere ich mein Zeitgefühl, meine Würde und einen Backenzahn. Dafür habe ich jetzt zwei Kinder und eine Katze. Einen Mann habe ich auch. Er ist groß, hat kurzes, dunkles Haar und grüne Augen. Unsere Fenster hat er mit Dämmplatten verschraubt. Er macht den Tag und die Nacht. Wie ein Gott.
Ich betrachte meinen Mann aus den Augenwinkeln, während ich neben ihm auf dem abgewetzten Sofa sitze. Unter seiner Umarmung pulsieren meine Verletzungen, als hätte jede einzelne von ihnen einen eigenen Herzschlag. Ich versuche mir einzureden, ich hätte das Schlimmste bereits überstanden, nur ahne ich, dass wir bald zusammen ins Bett gehen werden. Ich höre die Kinder wie durch Watte plappern, während ich darüber nachdenke, wie ich ihren Vater töten werde.
Autorin:
Romy Hausmann, geboren 1981, ist eine deutsche Schriftstellerin. Bereits mit 24 Jahren war sie Redaktionsleiterin bei einer Münchner Fernsehproduktion. Dort arbeitete sie schon mit hunderten, deren Leben sie als Vorlage für ihre Bücher nahm. So unter anderem misshandelte Ehefrauen, Kriegsflüchtlinge und vernachlässigte Kinder. Seit 2016 schreibt sie nebenbei regelmäßig für den blog Mymonk. Darin erzählt sie von ihren persönlichen Erfahrungen. Von Niederlagen, Mut und Zuversicht im Leben. Liebes Kind‘ ist ihr Thrillerdebüt. Romy Hausmann wohnt mit ihrer Familie in einem Waldhaus in der Nähe von Stuttgart.
Sprecher:
Heikko Deutschmann, geboren 1962 in Innsbruck, studierte Schauspiel in Berlin und spielte u. a. im Ensemble der Berliner Schaubühne, später in Hamburg, Köln und Zürich. Das Fernsehpublikum kennt ihn aus preisgekrönten Produktionen wie Der Laden und In Sachen Kaminski, aus Serien wie Polizeiruf 110 und Der Kriminalist sowie aus der ZDF-Reihe Inga Lindström. Er ist ein ebenso vielseitiger Hörbuchsprecher und hat neben Bestsellern von Guillaume Musso und Jo Nesbø Klassiker von Friedrich Schiller und Stendhal eingelesen.
Leonie Landa, geboren 1994, stand mit acht Jahren das erste Mal auf der Bühne. Sie ist aus Filmproduktionen wie Linie 102, Notruf Hafenkante und Morden im Norden bekannt und als Synchron-, Hörspiel- und Hörbuchsprecherin u. a. in Die drei ???, Tintenherz und Malala. Meine Geschichte. zu hören.
Ulrike C. Tscharre, geboren 1974, studierte neuere deutsche und englische Literatur und ließ sich danach an der Akademie für Darstellende Kunst in Ulm zur Schauspielerin ausbilden. Neben Rollen in den verschiedensten Theaterstücken spielte sie in vielen Fernsehproduktionen, wie z. B. dem Zehnteiler "Im Angesicht des Verbrechens" (Regie Dominik Graf) oder mehreren Episoden von "Tatort" und "Polizeiruf 110". Zudem wird sie im neuen Film "Werk ohne Autor" von Oscar-Preisträger Florian Henckel von Donnersmarck zu sehen sein. Im Hörverlag ist sie unter anderem in Henning Mankells "Wallander"-Reihe, in Annette Mingels "Was alles war" und im Hörspiel zu Frank Schätzings "Der Schwarm" zu hören.
Bewertung:
Das Cover ist schlicht und weckt mit dem Titel die Neugierde. Der Titel ist selbst nach Beendigung der Geschichte sicher nicht für jedermann verständlich. Wer zwischen den Zeilen liest und hört, versteht den Titel, aber oberflächlich gesehen scheint er nicht zu passen. Da haben die Autorin und der Verlag aber wirklich tiefsinnige Arbeit geleistet. Bei vorablesen, als es zur Verfügung gestellt wurde, hat mich das Werk nicht angezogen. Jetzt in der Wanderhörbuch-Gruppe war ich dann doch neugierig auf die Geschichte.
Von Beginn an wird suggeriert: Es ist nicht so, wie es scheint! Und genau das macht es sehr schwer, die Geschichte zu rezensieren. Eigentlich ist alles Spoiler, was man darüber schrieben kann ... Für Nichtkenner dieser Geschichte nicht nachzuvollziehen. Ich bemühe mich aber, so wenig wie möglich darüber zu schreiben und so viel wie möglich über meinen Eindruck.
Die ersten Hörminuten haben mich irritiert, weil da schon der Schein von allem trügt. Je mehr ich hörte, umso mehr fügte sich alles dann zusammen. Aber gerade der Anfang hat mich neugierig gemacht, weil ich wissen wollte, was es mit allem auf sich hat. Von Außen - auf dem Hörbuch und im Klappentext - wirkt das Ganze offensichtlich und die Geschichte wie eine, die schon mehrfach erzählt wurde. Ist sie so aber nicht.
Die vielen Charaktere sind teilweise nervtötend oder sehr gut ausgearbeitet, einige beschreibe ich mal kurz;
vom Polizisten Gerd hätte ich gerne mehr erfahren, er ist mit den Eltern des Opfers befreundet. Die Eltern des Opfers - Vater Matthias und Mutter Karin - spielen eine Hauptrolle im Geschehen. Matthias ist oft einfach nur aggressiv, was unter den gegebenen Umständen verständlich ist. Nur manchmal überspannt er den Bogen ziemlich und machte sich unsympathisch in meinen Augen. Auch hat er mich ziemlich genervt mit seinen Aktionen, vor allem aber mit seiner Besessenheit von seiner Enkelin Hannah. Es geht immer um sie, nie verliert er ein Wort über Jonathan. Vor allem, dass er auch Hannah nie einmal zur Rede stellt, was wirklich passiert ist, finde ich unrealistisch. Alle Welt stellt sich die richtigen Fragen, nur er stellt welche in verkehrte Richtungen. Karin ist eher typisch Frau - die Rollen hat die Autorin klassisch verteilt - und zieht sich eher zurück und versucht Matthias ins einen Vorhaben zu bremsen. Der Freund ihrer Tochter, Matt, ist mir unsympathisch - ganz egal, was er von sich gibt. Auf mich wirkt er wie ein Aufschneider. Dann gibt es noch die aufdringliche Nachbarin Maya, die einfach in fremde Wohnungen spaziert und sich unheimlich verhält.
Die Enkelkinder von Karin und Matthias sind entsprechend ihrer Lebensarten gestört. Hannah hat die Autorin sehr gut ausgearbeitet, jedoch nervte sie mich unheimlich. Sie ist intelligent, aber sehr hochnäsig und weiß immer alles besser. Teilweise belehrt sie auch jeden, der zu belehren ist und unterstellt ihnen auch gerne Dummheit, wenn sie nicht so denken, wie sie. Das ist jedoch ihrer Erziehung in der Hütte zu verdanken. Jonathan dagegen ist sehr ruhig, zu ruhig, und sagt kaum etwas. Er wird fast gar nicht in die Geschichte eingebunden, was mich sehr gestört hat. Er hätte auch komplett aus der Geschichte rausgenommen werden können ... es hätte nichts gefehlt. Er kämpft sehr mit den Veränderungen, die vonstatten gehen, während Hannah - bis auf ihre Macken - ganz normal wirkt.
Es kommen das Opfer, Matthias und Hannah zu Wort, die ihre Perspektive der Geschichte erzählen. Zusätzlich ermöglichen die Rückblenden zu der Hütte und zu dem, was dort geschehen ist, einen umfassenden Blick auf das Ganze. Die Sprecher sind sehr gut gewählt und auch stimmlich sehr gut zu unterscheiden. Alle drei haben eine ruhige und ausdrucksstarke Stimme, die ich mir mühelos anhören konnte. Das Erzähltempo wird bis kurz vorm Ende ziemlich gedrosselt. Das Geschehen an sich fesselte mich nicht so sehr wie das Geschehen, das fehlte. Was ist wirklich passiert? Diese Frage bleibt bis kurz vorm Ende offen und lockte mich, weiterzuhören. Das Ende ist sehr gut konstruiert und beantwortet auch alle offen gebliebenen Fragen.
Fazit:
Was sich offensichtlich als 08/15-Geschichte tarnt, ist zu Beginn irritierend und wird ansonsten langatmig erzählt. Das gedrosselte Erzähltempo und einzelne Charaktere stören in den Handlungssträngen. Das Ende ist sehr gut ausgearbeitet. Insgesamt kann ich nur 3,5 Sterne abgeben. Hier fehlt es einfach an zu vielem. Das Positivste ist für mich, das Vermögen der Autorin, die Leser und Zuhörer mit der Frage um das Geschehen durchweg neugierig zu halten. Es ist jedoch eher ein Spannungsroman als ein Thriller!