Lesenswerte Zeitgeschichte
„Deutschland im Jahr 1938: In der Nacht vom 9. Auf den 10. November brennen die Synagogen. Tausende Juden werden verhaftet, misshandelt, getötet. Auch Alizas Vater, ein jüdischer Arzt, der in Berlin alles ...
„Deutschland im Jahr 1938: In der Nacht vom 9. Auf den 10. November brennen die Synagogen. Tausende Juden werden verhaftet, misshandelt, getötet. Auch Alizas Vater, ein jüdischer Arzt, der in Berlin alles daran setzt, die Verletzten zu versorgen, gerät zusehends in Bedrängnis. Als er von den Kindertransporten einer englischen Hilfsorganisation erfährt, sieht er darin die Chance, wenigstens seine Tochter in Sicherheit zu bringen. Zeitgleich erfährt Fabian, Alizas große Liebe, dass er zum Wehrdienst eingezogen werden soll. Beim Abschied überreicht er ihr ein Taschentuch, das mit dem Duft „Je Reviens“ besprüht ist, „Ich komme wieder“. Aber können die beiden wirklich auf ein Wiedersehen hoffen?“ – Zitat Klappentext
Ich darf Aliza und ihre Familie in dieser schwierigen, lebensbedrohenden Zeit des zweiten Weltkrieges begleiten. Authentisch, sachlich, ohne Effekthascherei führt die Autorin mir die Lebens-Realität einer jüdischen Familie vor Augen. Während die Rest-Familie Landau in Deutschland zurückbleiben muss, bricht Aliza noch gerade rechtzeitig mit dem Zug nach England und unweigerlich in ihr Erwachsenwerden auf. Aliza ist für mich die Hauptperson im Buch; immer wieder, allerdings mit nachlassender Frequenz erfahre ich Neues von der Familie Landau in Deutschland. So glücklich Alizas Flucht ist, wird – nicht zuletzt durch das Fortschreiten der Kriegshandlungen – das Leben in England kein einfaches Leben. Schließlich ist sie ungeachtet ihrer Einordnung als Flüchtling „der Feind“ und durch das Eingreifen Englands in die Kriegshandlungen verschlechtern sich auch in der englischen Bevölkerung die Lebensbedingungen.
Lilli Beck hat mit „Mehr als tausend Worte“ ein beeindruckendes Stück Zeitgeschichte zwischen zwei Buchdeckel gesteckt und sehr gut lesbar sowie nach-erlebbar zu Papier gebracht. Ich habe Aliza und ihre Familie sehr gern begleitet; ihr Schicksal geht mir sehr nahe. Die historischen Begebenheiten sind meines Wissens sehr nah an der damaligen Realität und solide recherchiert. Andererseits hat mir das Buch doch gewisse Lücken in der Kenntnis „meiner“ Vergangenheit aufgezeigt, was ich positiv sowie lehrreich finde.
Eigentlich ist dieses Werk ein Fünf-Sterne-Buch, aber mich persönlich hat die „Rosamunde-Pilcher-Episode“ gestört, welche im letzten Drittel mit einfließt und sicherlich für den weiteren Handlungsstrang in diesem Roman und somit in Alizas fiktivem Leben mit entscheidend war. So gibt es „nur“ vier Sternchen…
Dieses Buch ist auch optisch ein sehr schönes, elegantes Buch. Die Covergestaltung scheint schlicht, wirkt jedoch sehr hochwertig!
Lilli Beck, Mehr als tausend Worte, gebundene Ausgabe, Roman, Blanvalet Verlag, 20,00 €, 496 Seiten, Erscheinungstermin 25.03.2019