Cover-Bild Gott wohnt im Wedding
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24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Penguin
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 416
  • Ersterscheinung: 25.03.2019
  • ISBN: 9783328600169
Regina Scheer

Gott wohnt im Wedding

Roman - Der neue Roman der Autorin von "Machandel"
Ein Haus. Ein Jahrhundert. So viele Lebensgeschichten.

Alle sind sie untereinander und schicksalhaft mit dem ehemals roten Wedding verbunden, diesem ärmlichen Stadtteil in Berlin. Mit dem heruntergekommenen Haus dort in der Utrechter Straße. Leo, der nach 70 Jahren aus Israel nach Deutschland zurückkehrt, obwohl er das eigentlich nie wollte. Seine Enkelin Nira, die Amir liebt, der in Berlin einen Falafel-Imbiss eröffnet hat. Laila, die gar nicht weiß, dass ihre Sinti-Familie hier einst gewohnt hat. Und schließlich die alte Gertrud, die Leo und seinen Freund Manfred 1944 in ihrem Versteck auf dem Dachboden entdeckt, aber nicht verraten hat. Regina Scheer, die großartige Erzählerin deutscher Geschichte, hat die Leben ihrer Protagonisten zu einem literarischen Epos verwoben voller Wahrhaftigkeit und menschlicher Wärme.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.04.2019

„Es wiederholt sich immer alles und doch ist es nicht dasselbe.“

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Ihr 2014 erschienenes Debüt "Machandel" habe ich erst kürzlich entdeckt und war absolut begeistert von dieser gelungenen Verknüpfung aus Zeitgeschichte und Romanhandlung. Genau dies gelingt Regina Scheer ...

Ihr 2014 erschienenes Debüt "Machandel" habe ich erst kürzlich entdeckt und war absolut begeistert von dieser gelungenen Verknüpfung aus Zeitgeschichte und Romanhandlung. Genau dies gelingt Regina Scheer auch in ihrem neuen Buch "Gott wohnt im Wedding".

Im Personenregister, einem wegen der Vielzahl von Mitwirkenden hilfreichen Instrument, steht ein überraschender Protagonist ganz oben: ein Berliner Mietshaus in der Utrechter Straße im Wedding, erbaut um 1890 und nun Spekulationsobjekt und, „weil ich als Immobilie nicht mehr das Potential habe, den Mietwert zu erhöhen“, kurz vor dem Abbruch. Seine kursiv gedruckten Geschichten über seine Erbauer und Besitzer, die Mieter, die kamen und gingen, und sein Wissen darum, dass sich „alles wiederholt“, sind so spannend wie melancholisch, „jetzt, wo alles zu Ende geht“, und es „eine Ahnung von Endgültigkeit“ umweht.

„Wenn man lange genug wartet, kommen hier alle wieder vorbei“, so auch der Jude Leo Lehmann, der ab 1943 mit seinem Freund Manfred als „U-Boot“, Untergetauchter, lebte. Nun ist er mit seiner Enkelin Nira wegen Erbangelegenheiten aus Israel nach Berlin gekommen und ausgerechnet in einem Hotel im Wedding gelandet. Im alten Haus in der Utrechter Straße lebt noch immer Gertrud Romberg, die den beiden Jungen damals Unterschlupf gewährte. Manfred wurde in ihrer Wohnung verhaftet und Leo hat nie erfahren, welchen Anteil Gertrud daran hatte. Die alte Frau ist an die hundert Jahre alt, schon ihr Vater wurde in diesem Haus geboren. Sie hat Manfred nie vergessen, nie geheiratet und nie über das gesprochen, was damals passierte. Der Handlungsstrang um Leo und Gertrud, der wiederum viele Einzelschicksale umfasst, hat mir ausnehmend gut gefallen, besonders auch die Geschichte von Leos Frau Edith.

Ein weiterer Handlungsstrang umfasst das Schicksal der Sintiza Laila, die 1975 in Polen geboren wurde und als Spätaussiedlerin über Umwege 1991 nach Berlin kam. Sie hat studiert, lebt getrennt von ihrem Mann und hat einen Mietvertrag über drei Jahre, der demnächst ausläuft. Mit ihrem ausgeprägten Sozialbewusstsein kümmert sie sich um die alte Gertrud, um die vielen Roma-Familien aus Rumänien, die genauso wie Wanderarbeiter inzwischen im Haus leben. Ihre komplizierte, sehr ausführlich erzählte Familiengeschichte und die ihrer Schützlinge haben mich das ein oder andere Mal verwirrt, es war nicht leicht, Personen, Orte und Schicksale auseinanderzuhalten. Wichtiger ist aber ein großer Erkenntniszuwachs über die Geschichte und Tradition der sehr verschiedenen Roma-Gruppen, zu denen die Sinti als eine Untergruppe gehören, und über ihre fehlenden Perspektiven.

Man merkt dieser geglückten Verbindung von Geschichte und Gegenwart die umfängliche Recherchearbeit von Regina Scheer deutlich an. Dass sie darüber hinaus so viel Wärme für ihre Figuren aufbringt und auf Schwarz-Weiß-Zeichnung weitgehend verzichtet, macht den Roman für mich empfehlenswert.

Ich hatte das Glück, Regina Scheer am 10. April 2019 live bei einem Interview mit Lesung im Botnanger Buchladen in Stuttgart zu erleben. Wer die Gelegenheit dazu hat, sollte sie sich nicht entgehen lassen, denn die Autorin hat auch über den Roman hinaus viel zu erzählen.

Veröffentlicht am 14.06.2019

Sprunghafte Erzählung mit sehr vielen, komplexen Themen, so dass der Roman etwas überladen wirkt. Nüchterne Darstellung und wenig Spannung mindern das Lesevergnügen

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Leo Lehmann kehrt nach 70 Jahren in Israel mit seiner Enkelin Nira nach Berlin zurück, um dort das Erbe seiner verstorbenen Frau zu regeln. Nira möchte er die Stadt zeigen, die Orte, die er aus seiner ...

Leo Lehmann kehrt nach 70 Jahren in Israel mit seiner Enkelin Nira nach Berlin zurück, um dort das Erbe seiner verstorbenen Frau zu regeln. Nira möchte er die Stadt zeigen, die Orte, die er aus seiner Jugend kennt und das Haus, in welchem sein bester Freund Manfred von der Gestapo verhaftet wurde und den Zweiten Weltkrieg nicht überlebte. Leo verdächtigte Gertrud, bei der die beiden Unterschlupf fanden, Manfred verraten zu haben. Gertrud ist noch heute am Leben und wohnt nach wie vor in dem Haus im Wedding, dessen Mieter sukzessive verdrängt worden sind und das inzwischen von mehreren Sinti-Familien bewohnt wird, um die verbliebenen Mieter mürbe zu machen.
Laila ist eine der integrierten Sinti, die sich als eine Art Sozialarbeiterin einsetzt, für die Familien bei Behördengängen übersetzt und die sich auch um die alte Dame Gertrud kümmert.

Der Roman ist aus der Sicht der Hauptcharaktere Gertrud, Leo und Laila geschrieben, aber auch das Haus kommt selbst zu Wort und erzählt seine über hundertjährige Geschichte. Der Roman handelt primär davon, wie sich die Schicksale von Juden und Sinti/ Roma gleichen, Bevölkerungsgruppen, die während des Nationalsozialismus verfolgt wurden und bis heute mit Stigmatisierungen zu kämpfen haben.
Durch die überfrachtende Anzahl - nicht nur der aktiv handelnden Personen in der Gegenwart - sondern auch der zahllosen Rückblenden in die Vergangenheit und Erzählungen über Widersacher während des Holocaust und verstorbene Angehörige, ist es denkbar schwierig, konzentriert den Überblick zu behalten oder einen emotionalen Zugang zu einer der Hauptfiguren zu erhalten.
Die Sprunghaftigkeit der Erzählung ohne Kennzeichnung, in welchem Jahr man sich nun befindet, empfand ich als anstrengend und minderte den Lesefluss. Zudem empfand ich das Buch, das ambitioniert die Verfolgung von Minderheiten in der Geschichte Deutschlands und darüber hinaus sowie die Situation von Migranten und (illegalen) Einwanderern mit all ihren Erschwernissen in der Gegenwart schildert, zu überladen. Holocaust, Geschichte der Sinti und Roma, Rassismus, Flüchtlingsdebatte, Gentrifizierung, Armut, Heimatlosigkeit sind gewaltige Themen, mit denen es sich tiefer gehend zu beschäftigen lohnt, die aber in ihrer Gesamtheit zu viel für einen Roman sind.

"Gott wohnt im Wedding" ist keine leichte Kost. Es ist ein Roman, der voller Fakten ist, die den Leser erschlagen können, weshalb man sich mit der Lektüre Zeit lassen sollte. Es ist keine schicksalhafte Erzählung, die durch Spannung eine Sogwirkung entfaltet oder zu Tränen rührt, sondern eine nüchterne Darstellung erschreckender Tatsachen anhand fiktiver Einzelschicksale, die sich im Laufe der Geschichte allesamt in einem Haus im Wedding wiederfinden.