Das Versprechen an Karolina
Die bereits 89jährige Lena Woodward, eine Holocaustüberlebende, kommt eines Tages zu Detektiv Liam Taggert, mit der Bitte Nachforschungen über ihre Freundin Karolina und deren Zwillingstöchter anzustellen. ...
Die bereits 89jährige Lena Woodward, eine Holocaustüberlebende, kommt eines Tages zu Detektiv Liam Taggert, mit der Bitte Nachforschungen über ihre Freundin Karolina und deren Zwillingstöchter anzustellen. Sie möchte ihr Versprechen einlösen die Mädchen ausfindig zu machen, die Karolina Rachel und Leah benannt hat. Allerdings gestaltet sich die Sachlage alles andere als einfach, denn die Kinder wurden während des Zweiten Weltkrieges geboren. Lena weiß weder, ob sie überlebt haben, noch wie sie möglicherweise heute heißen und wo sie sein könnten. Keine gute Ausgangslage für Liam und seine Frau Catherine, eine Anwältin, die er um Hilfe bittet. Außerdem stellt sich die Frage, warum Lena erst jetzt nach Karolina und ihren Töchter sucht und dies nicht schon bei Kriegsende getan hat.
Noch bevor die beiden den Auftrag annehmen, erhalten sie vom Anwalt des Sohnes eine Klage. Das weckt die Neugierde von Liam und Catherine, denn Arthur möchte seine Mutter entmündigen und sie als demenzkrank erklären lassen. Er hält ihre Idee als krankhaft und die Suche als eine Wahnvorstellung.
Die Rahmenhandlung spielt in der Gegenwart, während der Hauptanteil des Buches sich um die Lebensgeschichte von Lena dreht. Die historischen Hintergründe werden mit Lenas Schicksal sehr gut zusammengeführt. In einem Handlungsstrang erfährt der Leser nun, wie sich Liam auf die Suche macht und Arthur alles versucht die Nachforschungen zu stoppen. Währendessen erzählt Lena Catherine von ihrem Leben während des Zweiten Weltkrieges.
In diesem zweiten Handlungsstrang erfahren wir von der jungen Jüdin Lena Scheinemann, geboren in Chrzanów in Polen. Ihre Eltern und ihr kleiner Bruder Milosz, der mit vier Jahren an Kinderlähmung erkrankte und seitdem im Rollstuhl sitzt, wurden 1939 deportiert und ermordet. Sie ist die einzige Überlebende in ihrer Familie. Bei ihrem Versuch zu überleben, findet sie Arbeit in der nahen Fabrik, die Kleidung für die Deutschen herstellt. Dort trifft sie ihre Freundin Karolina wieder. Gemeinsam erleben sie die Verfolgung der Juden, die im Warschauer Ghetto zusammengetrieben werden, bis hin zur Deportation nach Ausschwitz. Lena und Karolina sind zwei sehr starke und mutige Frauen. Lena begibt sich sogar für kurze Zeit in den Untergrund. In Ausschwitz angekommen, liegt das Hauptaugenmerk nur mehr darauf zu überleben. Nach und nach erfährt der Leser das Geheimnis um Karolina und ihre Töchter...
Der Autor schafft es, seine Figuren nicht einseitig darzustellen, wie ich es schon des öfteren in Geschichten rund um den Holocaust gelesen habe. Es gibt sowohl bei den Deutschen, den Polen, als auch bei den Juden gute und böse Menschen, die Lenas Weg kreuzen. Die wirklich interessanten und berührenden Erzählungen aus dem Warschauer Ghetto und anschließend aus Ausschwitz haben mich aufgewühlt und erschüttert. Den Mut und die Kraft von Lena habe ich wirklich bewundert.
Interessant fand ich auch die Ausführung des Autors, warum die Alliierten Ausschwitz und die anderen Konzentrationslager nicht bombardiert haben, obwohl sie bereits von der Endlösung wussten.
Den vielen 5 Sterne Rezensionen kann ich mich leider trotzdem nicht anschließen. Dazu habe ich einige Kritikpunkte!
Besonders im Vergangenheitsstrang fielen mir einige Recherchefehler und Ungereimtheiten auf. Das beginnt damit, dass 1943, als die Menschen nicht nur in Polen hungerten, wohl kaum jemand Bananen zur Verfügung hat und diese austeilt - nicht einmal auf dem Schwarzmarkt. Ebenso gibt es im Winter im Ghetto keine Kohle zum Heizen. Lena und Karolina erhalten von einem deutschen Soldaten eine kleine Ration davon. Ich finde es allerdings unvorstellbar, dass niemand bemerkt, dass plötzlich in einem einzigen Haus im Ghetto Rauch aufsteigt!
Das KZ Mauthausen lässt der Autor zwar in Österreich angesiedelt, allerdings liegt es plötzlich nördlich von Chrzanów....hm...
Liam sucht nach einem Mann namens Müller in Deutschland - und wird fündig! Ist ja ein sehr seltener Name Sarkasmus aus
Ein weiterer Kritikpunkt war für mich die plötzliche Wandlung einer Figur zum Ende hin, die ich nicht nachvollziehen konnte. Diese ändert sich auf wenigen Seiten wirklich um 180 Grad - für mich absolut unvorstellbar!
Ihr seht, die Kritikpunkte häufen sich leider. Trotzdem kann ich sagen, dass der Roman mich trotzdem nicht kalt gelassen hat und so einige Überraschungen bereit hält.
Die Lebensgeschichte von Lena Scheinemann/Woodward hat der Autor in Anlehnung an das Leben von Fay Scharf Waldman geschrieben - in Gedenken an die unzähligen Opfer des Holocaust.
Schreibstil:
Der Schreibstil von Ronald H. Balson hat mir anfangs ein bisschen Mühe bereitet. Die kurzen und eher einfachen emotionslosen Sätze haben mich nach dem Lesen eines Buches, das mich zuvor total vereinnahmt hat, anfangs eher unzufrieden zurückgelassen. Erst mit der Zeit fand ich in die Geschichte hinein, die mich dann allerdings - bis auf die Recherchefehler - doch noch abholen konnte.
Fazit:
Eine interessante und berührende Geschichte über das Schicksal einer polnischen Holocaustüberlebenden, die allerdings wegen einiger Recherchefehler (obwohl der Autor bereits mehrere Romane zu diesem Thema geschrieben hat) keine fünf Sterne mehr von mir erhält. Für alle, die kleine Recherchefehler nicht so ernst nehmen wie ich, kann ich den Roman auf alle Fälle empfehlen!