Allgemeines:
The Hurting – Als du mich gestohlen hast ist am 28.02.2019 bei Chicken House, einem Imprint des Carlsen Verlags, erschienen. Das Hardcover hat 386 Seiten. Autorin Lucy van Smit gewann mit dem Buch den ersten Bath Children`s Novel Award. Vom Verlag wird The Hurting ab einem Lesealter von 14 Jahren empfohlen. Persönlich würde ich dieses Lesealter auf 16 Jahre hochkorrigieren.
Bei Chicken House erscheinen Bücher, die sich an ein jugendliches Publikum richten, das gerne rasante und spannende Geschichten liest. Das Programm ist insgesamt klein und zeichnet sich durch eine große Anzahl an Debüts aus.
Inhalt:
„Nell glaubt nicht an Liebe auf den ersten Blick – bis sie Lukas begegnet. Dem attraktiven und irgendwie wilden Jungen im Wolfsmantel. Mit Lukas wird ihr Leben schöner, mit ihm kann sie glücklich sein. Doch Lukas verfolgt einen finsteren Plan und als Nell das begreift, ist sie schon mitten im Nirgendwo, hat ein Kind entführt und wird von der Polizei gesucht. Und hier, in der Einsamkeit norwegischer Wälder, beginnt für sie ein Überlebenskampf – gegen die Natur, gegen Wölfe, gegen den Schmerz und gegen den Jungen, den sie liebt.
Dieser Geschichte kann man sich nicht entziehen. Sie wühlt auf, sie überrascht und sie zerreißt einem das Herz!“ (Quelle: Verlagsseite Carlsen)
Meine Meinung:
Zu Beginn meiner Rezension möchte ich euch gleich verraten, dass The Hurting ein Buch ist, das mich zwiegespalten zurückgelassen hat. Zum einen gab es viele Elemente, die mich begeistern, berühren und schockieren konnten. Zum anderen blieb nach der Lektüre irgendwie ein schales Gefühl von „war das schon alles?“ zurück.
Van Smit gelingt es bereits nach wenigen Seiten eine schaurig beklemmende Atmosphäre zu kreieren. Sie nimmt uns Leser schon im Prolog mit in eine Welt der Berge, auf den Preikestolen, nach Norwegen. Ich konnte mir die Umgebung schnell beinahe bildlich vorstellen. Van Smit besitzt ein Talent, so zu beschreiben, dass schillernde Bilder in den Köpfen ihrer Leser entstehen. Während dieser Schilderungen begegnen wir sowohl anfangs als auch im Laufe der Geschichte allen Abgründen der Menschlichkeit, was insgesamt zu einer sehr passenden Frage der Protagonistin Nell führt:
„Vielleicht sind wir unter der Oberfläche alle Monster?“ (S. 358).
Mit dieser Frage setzt man sich während der Lektüre von The Hurting häufiger auseinander. Das hat verschiedene Gründe. Van Smit schildert die Ereignisse überaus detailliert. Sie schont ihre Leser nicht. Keine Beschreibung ist zu eklig, keine Formulierung zu drastisch, kein Verhalten zu irritierend. Van Smit zeigt genau auf, was passiert und lässt einen dadurch nahezu am Geschehen teilhaben. So manches mal habe ich mich geekelt und war froh, wenn eine Szene vorbei war. Das führt ich auch zu einem meiner Kritikpunkte: Wie kann man so naiv sein wie Protagonistin Nell es ist? So naiv, dass man, obwohl immr schlimmere Dinge passieren, nicht wirklich etwas unternimmt? Über diese Frage habe ich lange Zeit nachgedacht. Ich bin zu dem Schluss gelangt, dass Nell nicht nur naiv ist. Sie wird durch ihre Lebensumstände zu dem gemacht, was sie ist. Nell lebt in einer sehr gläubigen, ja sogar fanatischen Familie. Im Mittelpunkt dieser kleinen Familie steht ihre Schwester, die an Krebs erkrankt ist. Nell opfert sich auf, muss ihre Schwester pflegen und verbergen, dass ihr religiöser Vater Alkoholiker ist. Sie muss zu viele Lasten auf ihren schmalen Schultern tragen, weshalb ihr für die Ereignisse im Buch die Weitsicht fehlt. Alles an dem mysteriösen Jungen im Wolfsmantel schreit danach, Nell von ihm fernzuhalten. Aber natürlich zieht irgendetwas sie unwiederbringlich zu ihm hin. Was dann genau passiert und welche menschlichen Abgründe sich innerhalb der Handlung auftun, das solltet ihr selbst lesen…
Lukas ist anders als Nell ein Charakter, zu dem ich während der ganzen Geschichte keinen Zugang gefunden habe. Er wirkte von Anfang an wenig sympathisch auf mich. Weder sein Aussehen noch sein Verhalten konnten mich überzeugen. Ich habe Nell nicht verstanden, die immer wieder mit positiven Gefühlen an ihn gedacht hat, egal, was er ihr für schlimme Dinge angetan hat. Aus diesem Grund war die Geschichte für mich an vielen Stellen überzogen und manchmal auch unglaubwürdig. Man kann Lukas als sehr manipulativ bezeichnen. Was er auf keinen Fall verkörpert ist das für viele Jugendbücher typische Badboy-Image.
Insgesamt birgt The Hurting viele Themen, die Jugendliche beschäftigen. Gleichzeitig ist es eine wirklich harte Kost. Ich würde dieses schonungslos geschriebene Buch deshalb nicht ab 14 Jahren empfehlen. Leser sollten viel Leseerfahrung und ein gewisses Maß an Ekelresistenz mitbringen. Ich bin der Meinung, dass man den Inhalt des Buches nicht vollständig erfassen kann, wenn man erst 14 Jahre alt ist.
Fazit:
Ein Fazit fällt mir wirklich schwer. The Hurting hat mich zugleich fasziniert und abgestoßen.