Björn Diemel ist nun seit 10 Jahren Strafverteidiger in einer mittelgroßen Kanzlei, dennoch ist er noch immer kein Partner, andere, die nach ihm kamen aber schon. Gut, Diemel hat nur einen Mandanten Dragan, mit viel Geld. Er bezahlt auch, aber dafür hält er Björn Tag und Nacht auf Trab und gut für's Image ist so ein Boss der o.K. (organisierte Kriminalität) nicht. Das findet auch seine Frau Katharina, die die Nase voll davon hat, daß der Verteidiger per Handyanruf bei Fuß stehen muss und sich doch sehr verändert hat (ob sie sich auch verändert hat, fragt sie aber nicht). So ein Gesocks will sie nicht in der Nähe ihrer Tochter haben. Das muss sich ändern, Björn muss sich ändern. Wenn die Ehe noch eine Zukunft haben soll, soll er Achtsamkeitskurse besuchen. Widerwillig und deutlich zu spät taucht er bei seinem Coach auf. Aber klar, noch sind ihm die Regeln der Achtsamkeit kein Begriff, doch er lernt schnell. Noch schneller findet er Gefallen daran und versucht sie zu Gunsten seiner Work-Life-Balance auf alle Bereiche seines Lebens zu übertragen. Daher trennt er sich erst mal von seiner Frau und führt Zeiten nur für seine Tochter ein. Aus Unachtsamkeit vergisst er jedoch einmal das Handy auszustellen und Dragan hat kein Verständnis für die Papizeit. Da muss er halt am eigenen Leibe spüren, was sein Anwalt für Fortschritte gemacht hat, denn Achtsamkeit hilft bei allem, auch beim Morden!
Zu Beginn finde ich die Beteiligten alle sehr unsympathisch, bis auf Diemels Tochter. Doch der Kollege lernt und verinnerlicht das Gelernte. Dabei erklärt er die Regeln dann auch ganz verständlich für die Hörer, wenn auch an bisweilen völlig absurden Beispielen. Ja, ich gebe zu, ich konnte bislang mit diesem Begriff nichts anfangen, irgendso ein fancy-life-style-Begriff... Eigentlich soll man sich auf das Wesentliche konzentrieren und dem, was man gerade tut, seine volle Aufmerksamkeit schenken, dabei vermeidet man auch Fehler. Dummerweise ist Björn bei der Beseitigung seiner ersten Leiche mal kurz unaufmerksam und schon entstehen die Probleme. Ja, die erste Leiche, denn es werden ganz schnell mehr! Wenn man erst mal anfängt, gibt es kein Halten mehr, könnte man meinen, aber nein, so ist es nicht. Er ist einfach in eine ganz dumme Situation hineingeschlittert und nun ist sein Leben bedroht, von echten Profis. Das kann er doch nicht einfach so auf sich zu kommen lassen. Als planvoll strukturierter Mensch, sieht er die Gefahren kommen und entwickelt ganz wertfrei erstaunliche Lösungsansätze. Dabei geht es nicht nur darum den Mord zu vertuschen, den Streit mit seiner alten Kanzlei zu seinen Gunsten zu drehen, sondern auch noch nebenbei seiner Frau und seiner Tochter was Gutes zu tun und den Geschäftsbereich der Organisation dann doch mehr in eine erfreulichere Richtung zu schieben....
Karsten Dusse ist Rechtsanwalt und kennt die Leiden dieses Standes. Die Absurdität dieser Kanzleien beschreibt er wunderbar und sehr treffend, ebenso wie die wirtschaftlichen Zusammenhänge des hippen Startups für Weltverbesser. Überhaupt bringt er die Dinge auf dem Punkt, nur eben mit bisweilen einem sehr schrägen Blickpunkt. Das macht es sehr vergnüglich. Kein Wunder, immerhin hat er auch schon den Deutschen Comedypreis gewonnen! So ist ihm ein herrlich schräger Mordsspaß gelungen. Die meisten lustigen Krimis sind ja eher gemütlich. Das ist dieser nicht. Hier fließt Blut, da fliegen menschliche Teile und die Handgranaten werden großzügig eingesetzt. Klar, schließlich gibt’s die ja zum Einkaufspreis. Also nicht unbedingt etwas für zarte Seelen, aber sehr schwarzer Humor, wenn auch moralisch nicht ganz korrekt. Aber was kann man von einem Anwalt schon anderes erwarten? Großes Vergnügen bereitet es einfach Matthias Matschke zu zu hören, wie er seine Beobachtungen von sich gibt und dabei nicht für jeden (weniger achtsamen Menschen) offensichtlicheSchlüsse zieht. Gekonnt spielt er mit der trockenen Überlegenheit des analytischen Anwaltsverstandes, in bedächtig nachdenklichen Ton, der bisweilen auf den brutal, hitzigen Prollton des Mafioso trifft. Doch auch Luxus-Muttis, vermeintliche Weltverbesserungshipster und Sekretärinnen bekommen ihr Fett weg! In seiner achtsamen Anwaltsstimme klingt er dabei ganz ruhig und besonnen. Da er jedoch auf ganz unterschiedliche Menschen trifft, wird es nie monton, denn auch diese vermag der Comedian und Schauspieler gekonnt zu intonieren. Schade nur, daß er nicht immer die gleiche Lautstärke beibehält, man kann dieses Hörbuch daher schlecht ganz leise hören. Es sind aber keine starken Schwankungen, also durchaus autotauglich.
Am Ende weiß man den Achtsamen in seinem neuen Leben angekommen und in sich ruhend. Fragt sich nur, ob noch weitere achtsame Morde von Hörern und Lesern bezeugt werden können?
Nicht unbedingt ein Familienhörbuch und vielleicht auch nicht für die Tee-Damen, aber herrlich schwarz und unkorrekt.