Intensiver, aufwühlender und nachdenklich stimmender Roman
"Vergesst unsere Namen nicht" von dem norwegischen Autor Simon Stranger ist ein intensiver, aufwühlender und nachdenklich stimmender Roman. Ein wichtiges und wertvolles Buch, das glücklicherweise nun auch ...
"Vergesst unsere Namen nicht" von dem norwegischen Autor Simon Stranger ist ein intensiver, aufwühlender und nachdenklich stimmender Roman. Ein wichtiges und wertvolles Buch, das glücklicherweise nun auch auf Deutsch erschienen ist. Ich bin sehr froh, dass ich "Vergesst unsere Namen nicht" lesen durfte, da es ein besonderes und außergewöhnliches Werk ist, das bei mir noch lange nachhallen wird.
Eine Besonderheit des Romans besteht darin, dass der Autor Simon Stranger die Inspiration für sein Werk in der eigenen Familiengeschichte gefunden hat. In umfangreichen Recherchen hat er versucht Quellen zu finden und historische Ereignisse möglichst genau zu beschreiben. Die Qualität und Intensität dieser Recherchen werden in "Vergesst unsere Namen nicht" sehr deutlich. Neben fiktiven Erzählungen gibt es auch immer wieder Passagen, die historische Ereignisse sehr detailliert aufgreifen, so dass ich noch einige Details erfahren habe, die mir bisher nicht bekannt waren.
Eine weitere Besonderheit des Romans besteht darin, dass die Kapitel mit Buchstaben des Alphabets eingeteilt werden und dann Begriffe zu den jeweiligen Buchstaben aufgreifen. Für jeden Buchstaben des Alphabets gibt es ein Kapitel. In dem jeweiligen Kapitel wird dann mit Einschüben, z. B. "C wie...", der Text gegliedert, nach jedem dieser Einschübe wechselt sich die Perspektive oder die handelnden Personen. Das gefällt mir ausgesprochen gut und habe ich so auch noch bei keinem Werk erlebt.
Der Schreibstil hat mich von Anfang an gefesselt und es schwer gemacht das Buch wegzulegen. Es gefällt mir gut, dass aus drei Perspektiven geschrieben wird ("Du", "Ich", "Er"). Dadurch werden die verschiedenen handelnden Personen und die verschiedenen Zeitebenen voneinander klar abgegrenzt und es ist jeweils deutlich, welcher Handlungsstrang gerade fortgeführt wird.
Zudem wird sehr eindringlich, bildhaft und bewegend geschrieben. Ich hatte gleich ein klares Bild der handelnden Personen und der Orte und war emotional von Anfang an von der Handlung ergriffen. Simon Stranger schreibt nicht reißerisch oder übertrieben, trifft jedoch trotzdem direkt ins Herz.
Mich haben einige Passagen sehr aufgewühlt. Insbesondere der folgende Dialog:
"Warum wurde er ermordet, Papa?
"Weil er Jude war. "
"Ja, aber warum?"
In diesem kurzen Gespräch wird so gut die Sinnlosigkeit der damaligen Propaganda und der damit verbundenen Gräueltaten deutlich. Ich kann nur schwer bis gar nicht nachvollziehen, wie es mit dem Nationalsozialismus so weit kommen konnte. Da ist es für mich besonders interessant zu sehen, wie der Autor versucht, Henry Oliver Rinnan - wohl einer der extremsten Nationalsozialisten Norwegens - als Person und dessen Entwicklung aufzuarbeiten.
Als Gegenbild stellt der Autor Julius Paltiel vor, ein Vorfahr der trotz Konzentrationslager und Todesmarsch vollkommen in sich ruht, keinen Hass schürt.
Die Frage "Wie kann es sein, dass jemand stärker wird durch diesen Widerstand, durch all das Böse, das ihm zustößt, während andere sich beugen, zerbrechen, verkrüppeln, zerstört werden, eine dunkle Seele bekommen?" hat noch eine Weile bei mir nachgehallt. Dieser Roman lässt wirklich tief in menschliche Abgründe schauen, wühlt auf, bewegt und berührt.
Dennoch möchte Simon Stranger mit seinem Roman nicht anklagen oder verurteilen. "Lass diesen Roman lieber eine Aufforderung sein, nach vorn zu sehen. Lass ihn lieber eine Möglichkeit zur Versöhnung sein und für Vergebung."
"Vergesst unsere Namen nicht" ist ein großes, wertvolles Werk, das sich zu lesen lohnt. Es ist passagenweise nichts für schwache Nerven und keine reine Unterhaltungslektüre, jedoch traurige Realität mit der man sich dennoch auseinander setzen sollte und die den Leser auch mit einem Hoffnungsschimmern zurück lässt.