Leserunde zu "Melmoth" von Sarah Perry

Ein Buch, das einen packt und nicht mehr loslässt.
Cover-Bild Melmoth
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Sarah Perry (Autor)

Melmoth

Roman

Ein fesselnder und wunderbar unheimlicher Roman


Helen Franklins Leben nimmt eine jähe Wende, als sie in Prag auf ein seltsames Manuskript stößt. Es handelt von Melmoth - einer mysteriösen Frau in Schwarz, der Legende nach dazu verdammt, auf ewig über die Erde zu wandeln. Helen findet immer neue Hinweise auf Melmoth in geheimnisvollen Briefen und Tagebüchern - und sie fühlt sich gleichzeitig verfolgt. Liegt die Antwort, ob es Melmoth wirklich gibt, in Helens eigener Vergangenheit?


Ein Buch, das einen packt und nicht mehr loslässt. Ein weiteres Meisterwerk von Sarah Perry.



Timing der Leserunde

  1. Bewerben 05.08.2019 - 25.08.2019
  2. Lesen 09.09.2019 - 29.09.2019
  3. Rezensieren 30.09.2019 - 13.10.2019

Bereits beendet

Teilnehmer

Diskussion und Eindrücke zur Leserunde

Veröffentlicht am 11.10.2019

Undurchsichtig

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Undurchsichtig

Melmoth von Sarah Perry

Helen Franklin gelangt an ein Manuskript das Rätsel aufgibt. In ihm wird von Melmoth erzählt die seit Jahrhunderten auf Erden wandelt.
Durch das verschwinden ihres ...

Undurchsichtig

Melmoth von Sarah Perry

Helen Franklin gelangt an ein Manuskript das Rätsel aufgibt. In ihm wird von Melmoth erzählt die seit Jahrhunderten auf Erden wandelt.
Durch das verschwinden ihres Freundes Karel, setzt sie sich extrem mit dieser Thematik auseinander und ihre anfänglichen Zweifel verschwinden. Nun scheinen überall Schatten auf Helen in Prag zu warten, sie ahnt, dass Melmoth tatsächlich auf Erden wandelt als ruhelose Gestalt.

Die Geschichte lässt sich nur schwer greifen, genauso schwer fällt es mir zu beschreiben, was für Empfindungen während des Lesens entstehen. Es gruselte mich häufig, doch war es kein Horror im Sinne von erschrecken, es ist eher etwas unbekanntes das dieses Gefühl auslöst. Die Charaktere blieben mir größtenteils suspekt. Helen geißelt sich selbst, wohnt mit einer schrulligen Vermieterin zusammen, alles sehr merkwürdig in Szene gesetzt. Der Ausgang der Handlung überraschte mich, da ich einfach was anderes erwartet habe. Ich habe keinen Null-Acht-Fünfzig Roman erwartet, aber teilweise war es einfach zu undurchsichtig für mich. Ich muss allerdings dazu sagen, dass es mir nicht möglich war das Buch zügig zu lesen, vielleicht hätte ich so besser in die Geschichte gefunden.

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Veröffentlicht am 09.10.2019

Zweigeteilt

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„Melmoth“ von Sarah Perry ist definitiv kein Mainstream-Roman, denn das Lesen benötigt viel Aufmerksamkeit und Geduld. Doch die Geschichte kann sehr packend sein…

Die zweiundvierzig Jahre alte Helen Franklin ...

„Melmoth“ von Sarah Perry ist definitiv kein Mainstream-Roman, denn das Lesen benötigt viel Aufmerksamkeit und Geduld. Doch die Geschichte kann sehr packend sein…

Die zweiundvierzig Jahre alte Helen Franklin lebt in Prag in einem kleinen, trostlosen Zimmer. Die einsame Dame ißt nur das nötigste und hält sich auch so gut wie es geht von anderen Menschen fern. Dies ändert sich, als einer der wenigen Freunde Helen ein geheimnisvolles Manuskript bringt. Das Manuskript handelt von Melmoth der Zeugin. Sie wird Helens Leben auf den Kopf stellen und löst bei ihr Verfolgungswahn aus.

Meinung:
Beim Lesen von „Melmoth“ benötigt man definitiv Durchhaltevermögen und einen freien Kopf. Der teilweise komplexe Schreibstil führt dazu, dass man gewisse Stellen zweimal lesen muss, um die Quintessenz zu erkennen. Dazu kommt, dass die Auflösung der Mysterien erst sehr spät erfolgt und der Leser daher sehr viel Geduld aufbringen muss. Ich war mehrere Male versucht, dass Buch zur Seite zu legen, bin nun aber sehr glücklich, dass ich es doch bis zum Ende gelesen habe. Es lohnt sich aber sehr!
Die Geschichte um Melmoth ist nicht alltäglich und dem Leser daher auf keine Art und Weise bekannt. Dies führt dazu, dass man sich schlecht mit den Charakteren identifizieren kann, was das Eintauchen in die Geschichte deutlich erschwert. Wer also eine leichte Lektüre sucht, wird mit diesem Roman leider nicht glücklich.

Fazit:
Wer bereits ist, sich auf diesen geheimnisvollen Roman mit allen Sinnen einzulassen, der wird mit dem Buch viel Spaß haben!

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Veröffentlicht am 08.10.2019

Kryptisch, lyrisch, anregend: Eine Erzählung vieler Arten von Schuld und Vergebung!

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Inhaltserzählung:
"Hat deine Mutter dich nie auf den Schoß genommen und dir erzählt, Melmoth beobachte dich? Also", sagte er, "wie du sicher aus der Bibel weißt, gingen die Frauen zu Jesu Grab und fanden ...

Inhaltserzählung:
"Hat deine Mutter dich nie auf den Schoß genommen und dir erzählt, Melmoth beobachte dich? Also", sagte er, "wie du sicher aus der Bibel weißt, gingen die Frauen zu Jesu Grab und fanden es leer vor. Der Stein war beiseitegerollt, und dort in dem Garten erschien ihnen der wiederauferstandene Sohn Gottes. Doch eine war dabei, die später leugnete, den auferstandenen Christus gesehen zu haben. Zur Strafe wurde sie verflucht, bis zur Rückkehr des Messias einsam und heimatlos über die Erde zu streifen. In einer Welt, die unvergleichlich böse ist und unvorstellbar niederträchtig, hält sie immerzu Ausschau. Sie stellt sich als Zeugin zur Verfügung, wo es keine Zeugen gibt, um eines Tages erlöst zu werden. Wenigstens will es die Legende so und die Frau trägt viele namen: Melmoth die Zeugin, Melmotte oder auch Melmotka - je, nachdem, wo man geboren ist. Aber eines darfst du nie vergessen: Sie ist einsam. Ihre Einsamkeit ist uferlos udn wird erst enden, wenn die Welt untergeht und Melmoth Vergebung erfährt. Sie erscheint den Menschen am Tiefpunkt ihres Lebens, und nur die Erwählten spüren ihren Blick. Sie heben den Kopf, und plötzlich steht die Zeugin vor ihnen. Angeblich streckt sie dann die Arme aus und sagt: Nimm meine Hand! Ich war so einsam!"
(Lehrer Schröder zu Josef Hoffmann, Seite 51/52)

Liebe Leserin, lieber Leser - du kennst sie, du hast sie erwartet. Sie ist die Zeugin, die Frau auf Wanderschaft. Die unerträglich einsame Büßerin, vor deren Augen sich die Niedertracht der Welt entfaltet. Schlägt das Mitleid Funken in deinem Herzen? Sehnst du dich danach, ihr die Hand zu reichen?
(Erzähler, Seite 329)

"Ich verlasse mich nur auf das Versprechen von Gottes Gnade."
"Und wer kennt Gottes Gnade am besten?"
"Nun ja ... die Sünder."
"Und wer erfährt die größte Vergebung?"
"Diejenigen, die die größten Sünden begehen!"
"Er wird dir umso mehr mehr vergeben, wenn du mehr gesündigt hast!"
(Alice Benet und Melmoth, Seite 120)


Autorin:
Sarah Perry wurde 1979 in Chelmsford, Essex, geboren. In ihrer Kindheit hatte sie aufgrund ihrer Baptisten-Eltern keinen Zugang zu zeitgenössischer Kunst und Literatur, daher flüchtete sie sich in klassische Musik und Literatur, was ihren späteren Schreibstil beeinflusste. Perry studierte Creative Writing an der Royal Holloway University und schloss mit einem Doktortitel ab. Ihr Debütroman "The Essex Serpent" war ein großer Überraschungserfolg in Großbritannien und schoss an die Spitze der Bestsellerlisten. Der Roman gewann den Titel des britischen Buchpreises 2017 für den besten Roman und das beste Buch insgesamt und war für zahlreiche weitere Preise nominiert. Sarah Perry schreibt außerdem literarische Kritiken für den Guardian und die Financial Times.

Übersetzerin:
Eva Bonné, geboren 1970 in Gevelsberg/Westfalen, studierte amerikanische und portugiesische Literaturwissenschaft in Hamburg, Lissabon und Berkeley. Seit 1998 arbeitet sie als freie Übersetzerin, u.a. von Adam Ross, Peter Heller und Amy Sackville. 2005 und 2009 wurde sie mit dem Hamburger Förderpreis für literarische Übersetzungen ausgezeichnet. Eva Bonné lebt mit ihrer Familie in Berlin.


Bewertung:
Das Cover ist unheimlich toll mysteriös und auch unheimlich gestaltet. Nichts mit Frau und/oder schwarz ... Wow! Es wirkt total poetisches auf mich und erinnert mich an Jugendromane, die in dem Stil gestaltet sind. Dazu der mysteriöse Titel ... besser geht es für mich nicht! Wenn ich Coverkäuferin wäre, würde ich das Buch im Buchladen sofort zur Kasse tragen. Erst im Laufe der Erzählung wirken die Federn auf dem Cover mehr als brillant!

Ich konnte den Klappentext nicht wirklich einordnen und bin deshalb auch ganz offen an die Geschichte rangegangen. Ihr Werk „Die Schlange von Essex“ hat auch wie dieses hier ein atemberaubendes Cover, jedoch konnte mich der Klappentext - anders als hier - nicht ansprechen. Das war ein weiterer Grund, weshalb ich ohne Vorbehalte und Erwartungen an das Buch gegangen bin. Ich habe schon vor der Leseprobe von der Legende Melmoth gelesen - die Frau in Schwarz. Ich war also sehr neugierig, was das Buch zu bieten hat ...

"Das Leben ist manchmal eben komplizierter als gewünscht; das Beste ist es, in Würde weiterzumachen."
(Namenlos zu Hassan, Seite 284)

Die Autorin erklärt in einem Video (https://www.youtube.com/watch?v=UbF_aUt176E), wie aus Melmoth, der Wanderer hier Melmoth, die Zeugin wird. Das Video war für mich sehr wichtig, um das Konzept des Buches zu verstehen. Denn die aufgelisteten Primärquellen im Buch konnte ich größtenteils nicht im Internet nachrecherchieren. Bis auf "Melmoth, der Wanderer" von C. R. Martin und "Der Schimmelreiter" von Theodor Sturm lässt sich die Recherche der Autroin nicht zurückverfolgen. Somit muss ich einfach darauf vertrauen, dass das echte Quellen sind. Ich finde es sehr schade, da ich sehr gerne mehr über diese Quellen erfahren würde ... Es werden sieben Quellen zu Melmoths Erscheinen aufgeführt, von denen einige in der Erzählung bearbeitet werden.

"Manchmal habe ich das Gefühl, dass es sie noch unglücklicher macht, beobachtet zu werden. Ich frage mich, ob sich ein Schmerz dadurch verstärkt, dass jemand zuschaut."
"Nun ja (...), nur Kinder glauben, etwas würde unsichtbar, bloß weil man die Augen schließt."
(Helen Franklin und Arnel Suarez, Seite 244)

Es geht spannend los mit einem Brief. Auch ist in dem Buch am Anfang ein Zitat vermerkt- das liebe ich ja! Der Schreibstil ist sehr lyrisch, manchmal poetisch, was sehr schön ist. Leider - ein sehr großes Leider - hat die Autorin die Erzählung zusätzlich noch kryptisch geschrieben, sodass es für mich sehr anstrengend zu lesen war.

Ich bin bis zum Ende etwas irritiert worden; mal ist die Erzählung allgemein gehalten über die Charaktere, dann wieder an jemanden gerichtet; es wird dann die Ansprache Sie verwendet. Nur wer ist damit gemeint? Wir Leser? Und wer ist dann der Erzähler? Das springt zwischen den beiden Erzählarten hin und her.

Sie war ein denkendes Wesen und hatte einen freien Willen. Keine Hand hielt sie zurück als die eigene, sie hatte keine andere Aufgabe, als Mitgefühl zu empfinden und das Richtige zu tun, und sei es nur ein einziges Mal, hier in diesem kleinen, stickigen Zimmer.
(Erzählung über Helen Franklin, Seite 247)

Das Manuskript von Josef Hoffmann liest sich ebenso mysteriös. Alleine seine Kindheit wird sehr zerstreut geschrieben. Josef erzählt über den Hass zu Franz und die Liebe zu seiner Schwester Freddie nach der ersten Begegnung!!! Klar, er trägt sehr viel Wut und Kummer in sich, das ist sehr deutlich zu spüren, aber ich verstehe hier nicht, wieso genau. Er schreibt über sein Leben Zuhause sehr schwammig, sodass ich seine Empfindungen nicht ganz nachvollziehen kann und der Zugang zu ihm schwer ist. Der Tod von Josef Hoffmanns Vater war ja grausam. Skurril finde ich hier Josefs Handlung; er setzt sich einfach an den Tisch zu seinem toten und blutenden Vater - ohne Mucks und Gefühl. Es wird gar nichts dazu geschrieben. Dann kommt auch die Mutter nach Hause und setzt sich dazu, als ob gar nichts wäre und da kein blutend toter Mensch auf dem Tisch liegt. Wie realitätsfern ist das bitte???

Karel ist aus Prag einfach nach England gegangen und nun hat Melmoth plötzlich keine Bedeutung mehr für ihn... Einfach nur merkwürdig, gefällt mir nicht, diese Abhandlung mit ihm. Er verschwindet einfach und taucht nicht wieder auf.

»Was arbeiten Sie?«
»Ich bin Übersetzerin, obwohl mein Deutsch besser ist als
mein Tschechisch.«
»Wundervoll! Womit beschäftigen Sie sich gerade? Mit
Schiller? Peter Stamm? Einer neuen Sebald-Ausgabe?«
»Mit einer Gebrauchsanweisung für Elektrowerkzeuge
von Bosch.«
(Seite 26)

Was mir in Helens Erinnerung auffällt, ist, dass Helen Melmoth doch schon damals im Krankenhaus bei einer Patientin gesehen hat, tut aber in der Gegenwart so, als ob sie sie überhaupt nicht kennt. Und wenn sie einen Gedächtsnisschwund bei der Sache hat, wie kann sie den anderen dann ihr Fehlverhalten erzählen? Für mich ist das dermaßen unlogisch, dass es mich nervt. Und Hassan (ein weiterer Sünder)? Der jammert die ganze Zeit nur "Ich habe nichts getan, nichts!", das hat mich dermaßen genervt, dem hätte ich am liebsten eine geknallt, damit er zu sich kommt. Wie ein kleines Kind ... Und was ist das für ein Ende mit ihm? Auch total unlogisch; er steigt jammernd ins Meer und puff - er ist verschwunden/tot ... Namenloses (sein Bruder) Ende ist da das Gegenstück von Unlogik und herzzerreißend. Der Tod der Albina (Mitbewohnerin von Helen) ist auch recht merkwürdig und so gar nicht schlüssig für mich - ist wirklich wie eine dramatische Oper, auch völlig überzogen. Zieht das weiße hochzeitsähnliche Kleid an, geht in die dramatische Oper zum Sterben ...

"Madam, wenn ich fragen darf ... Woran ist sie gestorben?"
"Am Leben, so wie alle Menschen."
(Arnel Suarez und Thea, Seite 327)

Es tauchen auch Szenen auf, bei denen ich nur den Kopf schüttele; es erscheinen die Toten Helen in ihrem Zimmer - ernsthaft? Neben Melmoth war die Geschichte bis dahin noch realistisch, aber ab hier wird es echt etwas lachhaft übertrieben. Es bleiben auch Fragen offen, die nicht geklärt wurden, leider.

Insgesamt hat mir das letzte Drittel des Buches am allerbesten gefallen, weil er nicht so dermaßen kryptisch geschrieben ist und ich so gut wie alles verstanden habe. Dabei blieb aber auch nicht die lyrische Erzählweise aus. Ich hatte es sehr schnell durchgelesen, weil es mich gefesselt hat, was Helen so mit sich herumträgt. Das Wiedersehen mit einem alten Freund von Helen hätte ich mir viel ausgeschriebener gewünscht, mit mehr Raum für ihn. Das finde ich schade, da ich ihn sehr mag und er viel zu erzählen hätte. Das Ende ist offen gehalten, was aber nicht schlimm ist. Toll finde ich das Gesamtende, bei dem der Erzähler uns Leser persönlich anspricht. Erst hier wurde für mich auch klar, dass die zwischendurch Anreden mit Sie an uns gilt - was mir ja seit dem ersten Abschnitt Fragezeichen bereitete. Denn während der Erzählung springt der Erzähler zwischen der Anrede zu uns mit Sie zu einer normalen Erzählung hin und her.

"Ich möchte es etwas Gutes tun", sagte sie. "Wenn du Benjie das nächste Mal besuchst, werde ich einer Patientin Gesellschaft leisten. Sie heißt Rosa und hat niemanden sonst."
"Wenn sie dich hat", sagte Arnel, "hat sie alles."
(Helen Franklin zu Arnel Suarez, Seite 236/237)

Ich fand alle Rückblende der vorkommenden Personen wichtig, um noch mal ein anderes Verständnis von Schuld zu bekommen. Ungewöhnlich ist, dass die Autorin verschiedene Aspekte von Schuld und Vergebung in dem Buch bearbeitet ... mal ist es eine einzelne Tat, dann wieder Massenmord - in diesem Fall sogar den Genozid der Armenier. Das hat mich überaus positiv überrascht, und ich finde es super, dass das mal von einer Autorin aufgegriffen wurde! Es gibt viele Wege, sich schuldig zu machen, wie auch zu vergeben.

(...) "denn obgleich jedes Blatt von jedem Baum wahrhaft ein Buch ist, enthält die Erde für jene, denen es an Verständnis mangelt, keine Blätter. Der Kampf des Verstandes ist der Krieg, den man nie gewinnen kann."
(Altan Sakir (zitiert im ersten Teil aus dem Diwan von Necati) zu Namenlos und Hassan, Seite 280)

Einige Wörter kannte ich nicht und musste ich nachschlagen, was mir aber gefällt, ich lerne gerne neues dazu:

Seite 30, Zeile 9 von oben; dergestellt - derart, so, auf diese Weise

Seite 49, Zeile 2 von unten; allenthalben - überall (hier; begegnete ich überall ...)

Die ganze Erzählatmosphäre kam mir eher vor als befänden wir uns im frühen 20. Jahrhundert. Zeitmäßig bin ich auch nicht klar im Kopf gewesen - mal dachte ich, wir hätten das frühe 20. Jahrhundert, dann wieder befänden wir uns in den 50ern. Besonders Helens Verhalten und Sitte hat für mich gar nichts mit den Jahren nach 1970 zu tun, obwohl sie in dieser Zeit geboren wurde.

"Hast du nie erfahren, wie es ist, so einsam zu sein? Ich bin die einzige Überlebende einer Schiffskatastrophe und treibe auf einem Meer, das keine Gezeiten kennt. Ich bin ein einsamer Stern zwischen ausgebrannten Galaxien. Wer antwortet mir, wenn ich die Stimme erhebe?
(Melmoth zu Josef Hoffmann, Seite 175)



Fazit:
Ich schwanke ja innerlich; mal ist Melmoth für mich der Gedanke im Kopf und manifestiert sich in der Sünde in einem, mal ist sie dann wieder eine lebendige Person, die ruhelos durch die Gegend zieht ... ich kann mir hier keine klare Meinung dazu bilden. Aber für mich kommt die Botschaft des Schuldvergehens und die Sehnsucht nach Vergebung deutlich rüber. Das Besondere am Buch ist, dass jeder meiner Lesekameraden etwas anderes aus dem Buch zieht - ich denke, das ist eines der vielen Intensionen der Autorin.

"Ich wüsste immer nur eines: Ich bin das Gesetz, und das Gesetz hat immer recht. Aber jetzt frage ich mich, ob es sein könnte, dass es das eine gibt, was recht ist, und das andere, was gut ist, und die beiden sind nicht dasselbe."
(Wachtmeister Novák, Seite 149)

Ich denke, dass das Buch es schwer haben wird, Liebhaber zu finden. Aber dafür ist es auch einfach viel zu kryptisch geschrieben. Ich selbst hatte Probleme damit und habe nicht alles an der Erzählung verstanden. Lyrische Poesie ist sehr schön, aber die kryptische dazu ist hier in meinen Augen einfach zu viel! Schon die lyrische Erzählart wird viele abschrecken ... Nur das letzte Drittel ist weniger kryptisch geschrieben und ich konnte soweit dann auch alles verstehen. Hier hat es sich die Autorin sich mit der Doppelbesetzung selbst schwer gemacht.

Die Atmosphäre ist meistens sehr unheimlich, gar gruselig. Ich habe es fast durchgehend abends im Bett gelesen, was mich intensiver über die Quellen nachdenken ließ, die in der Erzählung auftauchen. Das Buch kann ich nur Lesern empfehlen, die sich konzentrieren können, sich an lyrisch-kryptischer Sprache erfreuen und nichts gegen mysteriösen Grusel haben. Das Buch ist somit nicht für jeden Leser lesenswert und verständlich. Die Erzählung hat aber eine enorme Ausdruckskraft und hallt nach. Ein besonderes Buch, das mit Wegfall der Kryptologie verständlicher wäre. Man kommt nicht drum herum, sich die Frage zu stellen: Was will das Buch mir mitteilen? Es geht um Schuld und Vergebung. Wer was aus der Erzählung für sich mitnimmt, ist individuell. Einig waren meine Lesekameraden und ich uns aber in einer Sache zum Fazit: Alles hat seine Konsequenzen. Taten und Nichttaten.

"Wir sind ganz allein, deswegen müssen wir tun, was Melmoth tun würde: Wir müssen hinsehen und bezeugen, was nicht in Vergessenheit geraten darf.
(Karel Pražan zu Thea, Seite 191)


Ich bedanke mich innigst beim Lesejury-Team und dem Verlag für die anregende Leserunde! Es ist eine Weile her, dass ich so ein besonderes Werk gelesen habe.







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Veröffentlicht am 08.10.2019

Nicht ganz das, was ich erwartet habe

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Das Leben von Helen Franklin ändert sich gravierend, als sie von Freunden ein altes Manuskript bekommt. Darin stößt sie auch auf Melmoth... ein Ammenmärchen wie viele meinen. Man sagt Melmoth ist eine ...

Das Leben von Helen Franklin ändert sich gravierend, als sie von Freunden ein altes Manuskript bekommt. Darin stößt sie auch auf Melmoth... ein Ammenmärchen wie viele meinen. Man sagt Melmoth ist eine Frau die dazu verdammt ist für ewig auf der Erde zu wandeln. Und seit Helen in dem Manuskript gelesen hat, fühlt sie sich regelrecht verfolgt....

Der Schreibstil der Geschichte ist etwas ganz besonderes und wohl auch Gewöhnungssache. Ich musste mich auch erst mal "rein lesen" und konnte die Geschichte nicht schnell weg lesen.

Die Idee hinter der Geschichte und gerade die Legenden um Melmoth fand ich sehr spannend. Die Ausschnitte von Hoffmanns Manuskript haben mich besonders gefesselt. Dennoch fand ich die Geschichte streckenweise zu gezogen und das sie in eine ganz andere Richtung ging als man anhand des Klappentextes vermuten würde.

Auch wenn ich mich stellenweise mit diesem Buch schwer getan habe, bleibt es eine interessante Geschichte, die auf jeden Fall einen Blick wert ist.

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Veröffentlicht am 02.10.2019

Anspruchsvolles, modernes Schauermärchen

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Bei dieser Rezension wusste ich lange nicht, wie ich beginnen sollte. Melmoth ist ein Buch, das mich zwiegespalten zurückgelassen hat. Es hat mich begeistert und enttäuscht, verfolgt und verwirrt. Ich ...

Bei dieser Rezension wusste ich lange nicht, wie ich beginnen sollte. Melmoth ist ein Buch, das mich zwiegespalten zurückgelassen hat. Es hat mich begeistert und enttäuscht, verfolgt und verwirrt. Ich werde versuchen diesen konfusen Eindruck in Worte zu fassen und hoffe, dass das irgendwie verständlich ist lach.

Meine Meinung


Ein sprachliches Meisterwerk
Wer Sarah Perry kennt, für den wird, wie ich so gehört habe, meine folgende Aussage kaum verwunderlich sein: Sarah Perry ist eine Wortkünstlerin. Für mich war es das erste Buch der Autorin und der Erzählstil faszinierte mich sofort. Er ist einzigartig, fast schon poetisch und scheut sich nicht davor, den Leser direkt anzusprechen, was uns selbst zu Beobachtern der tragischen Ereignisse macht.

Zudem gelingt es der Autorin, eine intensive, vor Anspannung trotzende Atmosphäre zu erschaffen. Die Umgebung, die sie schafft, fühlt sich dicht, wie eine dunkle Regenwolke an, voller Tragik und den Fragen nach Sünde und Schuld. Die Kulisse Prag wirkt dabei weniger als malerische Goldene Stadt, sondern vielmehr wie ein verhängnisvoller Ort, verliert dabei aber nicht seinen Wiedererkennungswert.

Eine Erzählung auf vielen Ebenen*
Doch nicht nur sprachlich hebt sich Sarah Perry von der Masse ab. Auch Erzählerisch ist Melmoth recht eigen. Erwartet habe ich eine moderne Adaption des Schauerrmärchens, welches im England des 19. Jahrhunderts so populär war (und in Austens Northanger Abbey wundervoll parodiert wird) und zu denen auch das 1820 erschienene Melmoth der Wanderer von Charles Robert Maturin, welches unzweifelhaft als Inspiration für Perrys Roman diente, gehört. Ich erwartete, dass das Buch mit denselben typischen Elementen dieser Literaturgattung spielen würde und Melmoth und ihre Geheimnisse das Zentrum der Ereignisse sein würde.

Zunächst erschien diese Erwartung erfüllt zu werden. Helen erhält ein geheimnisvolles Manuskript und spürt im Verlauf der Handlung weitere schriftliche Überlieferungen von Melmoth auf. Diese Überlieferungen nehmen einen Großteil des Buches ein und haben mir besonders gut gefallen. Es berichten unterschiedliche Leute von ihren Begegnungen mit Melmoth und welche Schuld sie auf sich geladen haben, dass diese überhaupt erscheint.
Doch ab der Hälfte des Romans wird klar, dass diese Geschichten, trotz ihres großen Anteils, nicht das Zentrum der Geschichte sind,auch Melmoth ist, wenn auch bedeutsam, nicht der eigenhändige Fokus. Vielmehr ist es eine Erzählung über Schuld, Sünde und eine Aufzeichnung wie Menschen mit diesen Umgehen und das über die Zeit hinweg geschildert.

Prinzipiell hätte ich dagegen nichts einzuwenden gehabt, doch leider verpasste die Autorin für mich den Moment, mich für diese Thematik zu öffnen. Das lag zum einen daran, dass für mich die Verknüpfungen zwischen Manuskripte und Gegenwart, die über den gemeinsamen Nenner Melmoth hinausgehen zu rar und zu spät gesät wurden. Durch die Sprache bedarf es bei diesem Buch ohnehin mehr Konzentration, und durch die zunächst sprunghaft erscheinende Handlung, erschließen sich Zusammenhängen erst relativ spät. Dabei entsteht jedoch auch kein interessanter Spannungsbogen, sondern ich hatte eher das Gefühl, dass alles gewollt kryptisch sein sollte. In einer spannenden Erzählung werden mehr oder weniger offensichtliche Hinweise über die gesamte Handlung hinweg gestreut, um am Ende den Zusammenhang verstehen zu können. Bei Melmoth fühlte es sich eher so an, als hätte mir die Autorin sämtliche Hinweise vorenthalten, und präsentiert mit den Zusammenhang am Ende kommentarlos, sodass ich am Ende mehr Fragezeichen, als vorher im Kopf hatte.

Fazit:


Melmoth in anspruchsvolles, modernes Schauermärchen, voll sprachlicher Eleganz, dass sich zu meiner Enttäuschung jedoch mit Voranschreiten der Handlung immer weiter von der Schauerliteratur entfernt und stattdessen sehr verworren und gezwungen kryptisch ist. Das Buch wird seine Liebhaber finden, leider jedoch nicht in mir.

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