„Tage des Schicksal“ ist der finale Band der Weingut-Saga von Marie Lacrosse, in dem wir das Leben der Familie Gerban auf dem Weingut verfolgen und die sozialen und politischen Gegebenheiten Ende des 19. Jahrhunderts kennenlernen. Erschienen ist der Roman Ende September 2019 im Goldmann Verlag.
Schweighofen in der Pfalz, 1877: Franz und Irene führen eine glückliche Ehe, dennoch fehlt etwas im Leben von Irene Gerban. Ein leben lang an harte Arbeit gewöhnt, fällt es ihr schwer sich in ein Leben zu fügen, in dem sie nur auf die Rolle einer liebenden Ehefrau und Mutter beschränkt wird. Schon bald beginnt sie sich erneut für die Ziele der Sozialisten einzusetzen. Besonders am Herzen liegen ihr dabei die Rechte der Arbeiterfrauen, zu denen sie sich selber einst zählte. Hierzu nimmt sie auch Kontakt zu ihrem ehemaligen Geliebten und Arbeiterführer Josef Hartmann auf. Dies gefällt Franz so gar nicht und so reagiert er mit Eifersucht, die die Beziehung der beiden zu zerstören droht. Als sich beide immer mehr entfremden, kommt Franz einem Geheimnis auf die Spur, dass die Ehe der beiden zusätzlich vor Herausforderungen stellt.
Nun habe ich auch den dritten Teil dieser tollen Saga beendet und schwelge ein bisschen in Wehmut, obwohl ich zugeben muss, dass es in diesem Teil auch einige Längen für mich gab.
Der Schreibstil der Autorin entführt einen aufs Neue in die Welt des 19. Jahrhunderts und lässt das Weingut in strahlenden Farben erstrahlen. Ich konnte mir alle Schauplätze im Buch sehr gut vorstellen und bin sehr gerne in die Welt dieser Zeit eingetaucht.
Marie Lacrosse gelingt es eindrücklich die sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse jener Zeit darzustellen und greifbar zu machen und das diesmal sogar über drei Schichten hinweg. Neben dem Bürgertum, dem Franz mit seinem Weingut angehört, lernen wir auch die Schicht der Adeligen in einer neuen Detailtreue kennen. Es war sehr interessant mitzuverfolgen, wie diese auf die arme Bevölkerung herabblicken, ohne deren Gegebenheiten wirklich zu kennen.
Die Verhältnisse, in denen die arme Bevölkerung lebte, haben mich auch diesmal wieder erschüttert. Dadurch, dass Irene jetzt zu einer anderen Schicht gehört, war hier teilweise allerdings eine gewisse Distanz zu spüren, die ich im zweiten Teil nicht so empfunden habe, als sie noch dazugehörte. Das ist jetzt meckern auf hohem Niveau, denn den Zwiespalt, den sie durch ihren Aufstieg in eine andere Schicht hat, fand ich andererseits auch sehr spannend mitzuverfolgen.
Die Politik jener Zeit spielt in diesem Buch eine große Rolle. Franz sieht sich dazu berufen für die Rechte Elsass-Lothringens zu kämpfen, dass unter der Herrschaft der Preußen sehr leidet, während Irene sich für die Ideen der Sozialisten begeistert und insbesondere für die Rechte der Arbeiterfrauen und Dienstmädchen kämpft. Die Sozialdemokratie hat es zu jener Zeit schwer und die unterschiedlichen Ziele der Eheleute führen zu Spannungen in der Ehe.
Das hat mir gut gefallen, denn es wäre unrealistisch gewesen, wäre in einer Ehe alles immer Friede, Freude, Eierkuchen gewesen. Zeitweise ging mir die Sturheit der beiden Eheleute allerdings auch gehörig auf die Nerven, was zusammen mit den nervigen Intrigen von Mathilde und Ottilie gegen Irene für einige Längen gesorgt hat. Gut wiederum fand ich, dass die beiden in diesem Teil einige Schicksalsschläge ertragen mussten, sei es auf dem Weingut oder auch familiär.
Die Autorin fühlt sich ihren Lesern verpflichtet und so hat sie auch in diesem Teil wieder einiges an Informationen über den Weinanbau und die Arbeit auf einem Weingut in diesen Roman einfließen lassen. Darüber hinaus lernen wir einige typische Krankheiten jener Zeit und ihre Behandlung kennen, was mir sehr gut gefallen hat. Marie Lacrosse hat ein wirklich vielschichtiges Bild jener Zeit erschaffen, was meiner Meinung nach sehr großen Respekt verdient.
Die Recherche zu dieser Reihe muss sehr umfangreich gewesen sein, was man dem Buch auf jeder Seite anmerkt. Neben Kartenmaterial und Personenverzeichnis am Anfang des Buches findet man am Ende ein ausführliches Nachwort, Glossar und ein kleines Quellenverzeichnis mit weiterführender Lektüre. Im Nachwort werden Wahrheit und Fiktion voneinander getrennt. Die Abweichungen, die in diesem Roman vorgenommen worden sind, finde ich in einem absolut vertretbaren Rahmen und gut begründet.
Fazit: Ein wunderbarer historischer Roman, den ich jedem sehr ans Herz legen kann, erschafft er doch ein umfangreiches Bild der Gesellschaft und Verhältnisse Ende des 19. Jahrhunderts. Die Detailfülle mag einen so manches mal ein bisschen erschlagen, aber dafür wird man mit viel Wissen über eine vergangene Zeit belohnt, aus der man auch für heute noch Einiges mitnehmen kann.