Karou ist für die Menschen in ihrem Leben ein Mysterium. Blaue Haare, das verschmitzte Lächeln, ihre seltsamen Zeichnungen von Monstern und die Geschichten, die sie passend dazu mit aller Ernsthaftigkeit erzählt: Niemand weiß so recht, wie man sie einschätzen soll. Doch was, wenn ihre Geschichten keine Märchen sind? Wenn die Monster aus ihrem Skizzenblock reale Vorbilder haben – ihre Familie, versteckt hinter Portalen? Als Karou auf einer Mission dem flammenden Feind Akiva begegnet, wendet sich ihr Schicksal von Grund auf. Und das Geheimnis um ihre Herkunft, das nicht einmal sie selbst ergründen konnte, wird ins Licht gerückt …
Nur ein Satz: Ava ist schuld! „Daughter of Smoke and Bone“ geisterte schon lange in meiner Wunschliste herum, aber so richtig Lust hatte ich nie darauf. Wie auch, wenn der Klappentext der Verlage so rein gar nichts über all die großartigen Dinge verrät, die dieses Buch enthält? Als ich es schließlich auf Ava Reeds Tisch im Hugendubel Frankfurt entdeckt habe, war mir klar: Wenn Ava es empfiehlt, musst du es lesen. Nun kam ich endlichd dazu und bin heilfroh, Karous Welt entdeckt zu haben, auch wenn das Buch nicht durchgehend positiv bei mir abgeschnitten hat.
Beim Lesen hat mich direkt der mystische, geheimnisvolle Schreibstil von Laini Taylor eingefangen. Es wird viel Drumherum beschrieben, viele kleine Details werden gezeigt, die sich nur langsam zu einem großen ganzen Bild zusammensetzen. Aber Karou und ihre Denkweise, ihr Leben, stehen im Mittelpunkt und können durch den Nebel der Geheimnisse langsam aufgedeckt werden. Ich habe mich mit Karou als Protagonistin sofort wohl gefühlt, hatte allerdings so meine Schwierigkeiten mit ihr und dem Verlauf ihrer persönlichen Geschichte, die an zwei Punkten in der Umsetzung stark gemangelt hat.
Der erste Punkt ist der Love-Interest Akiva. Wo ich in Karou viel Potenzial zur Entwicklung sehe, eine starke Persönlichkeit zu sehen mit klaren Weltanschauungen und teils skrupellosen, aber auch nachvollziehbaren Handlung, ist Akiva … einfach da. Zu schnell wendet sich „Er will mich töten“ in „Wow, ist er nicht perfekt? Alles an ihm ist perfekt!“ Und das hat mir den Spaß an der gesamten Liebesgeschichte verdorben. Wo Karou anfangs noch selbstbestimmt und cool ist, sich schwört, nicht denselben Fehler wie bei ihren Ex-Freund zu machen, wird sie doch zum liebeskranken Hündchen, sobald Akiva sie nur einmal schmachtend ansieht. Mehr als einmal wollte ich die beiden anschreien, ihren Shit zusammenzukriegen. Akivas Charakter besteht quasi nur aus seiner unendlichen Liebe zu Karou und daraus, wie verdammt heiß er ist – im wahrsten Sinne des Wortes. Sonst kam bei mir nicht viel von ihm an. Ja, seine Vorgeschichte ist tragisch und irgendwie traurig, aber ich habe kaum mitfühlen können, weil er für mich einfach zu perfekt war. Jeder andere Seraphim war bei weitem spannender als er, vor allem seine Mitstreiter Hazael und Liraz.
Und dann gibt es da noch die Vorgeschichte, die Karou und Akiva miteinander verbindet. Man muss dazu sagen: Das Buch ist schon älter, und was 2011 noch romantisch, schön und neuartig war, ist jetzt eher ausgelutscht und hat mich nicht fesseln können. Nicht, dass das Geheimnis um Karou nicht spannend gewesen wäre: Das ist es. Und ich liebe ihre Vorgeschichte. Aber ich mag erstens die vorherbestimmte Insta-Love einfach nicht mehr so gern und zweitens war die Art, wie alles aufgedeckt wurde, plump. Anders kann ich es nicht beschreiben, denn so hat es sich für mich angefühlt. Fast 30 Prozent des E-Books waren ein reiner Rückblick. Das hat mich dermaßen aus Karous Story gerissen, dass ich wirklich Probleme hatte, mich nach dem mehrere Kapitel langen Rückblick zu erinnern, wo wir denn stehen geblieben sind und wieso ich Karou so toll fand. Sie war mir nicht mehr präsent genug durch gewisse Umstände, die mit der Geschichte in Beziehung hängen. Und das Geheimnis einfach als extrem lange Rückblende reinzupacken, war für mich kein guter Stil von Seiten der Autorin. Das hätte man geschickter und eleganter lösen können, um den Leser nicht vollständig vom „heutigen“ Stand der Geschichte zu lösen.
Warum ich trotzdem unbedingt weiterlesen will, obwohl sich meine Kritik so harsch anhört? Weil die Geschichte es wert ist. Manche Aspekte mögen nicht gut ausgeführt sein, aber trotzdem gibt es so viele unglaublich gute Ideen und Ansätze in der Story, die mich sehr, sehr tief in die Welt hineingezogen haben. Ich liebe die Nebencharaktere, vor allem Zuzanna, Karous beste Freundin in Prag. Ich liebe die Monster, besser gesagt Chimären, und ihre Feinde, die Seraphim. Ich liebe die wunderschönen Entstehungsgeschichten der anderen Welt, die von Seraphim und Chimären immer anders erzählt werden. Und vor allem liebe ich das extrem gute Worldbuilding, das hier betrieben wird. Wie die Magie funktioniert, woher sie ihre Kraft bezieht, was es mit Wünschen und Krieg, Zähnen und Seelen auf sich hat … Es gab ganz viel an diesem Buch, das anfangs so im Dunklen liegt und sich langsam, aber immer spannender und mit größerer Sogwirkung entfaltet. Einmal in Karous Welt gefangen, kommt man als Leser nicht mehr los.
„Daughter of Smoke and Bone“ macht vieles richtig, auch wenn ich hoffe, dass sich die Folgebände nicht solche stilistischen Patzer leisten und vor allem Akiva endlich mal Charakterzüge abseits seiner extremen Liebe bekommt. Denn dann kann die Reihe wirklich zu einem Highlight werden, das ich nicht mehr vergesse.