Temporeich, spannend, neu
Ich habe in meinem Leben schon recht viele Krimis und Thriller gelesen. Mittlerweile habe ich immer mehr das Gefühl, dass ich vor allem bei Büchern, die die Ermittler mit einbeziehen oder in den Vordergrund ...
Ich habe in meinem Leben schon recht viele Krimis und Thriller gelesen. Mittlerweile habe ich immer mehr das Gefühl, dass ich vor allem bei Büchern, die die Ermittler mit einbeziehen oder in den Vordergrund stellen, übersättigt bin. Ich merke es daran, dass mich meistens die Klappentexte gar nicht mehr neugierig machen oder dass mich die Stories selten vollends packen können. Aber hiervon war ich komplett begeistert!
Sage Dawkins hat es mir mit ihrer "Leichenbraut" wirklich richtig angetan. Durch einen neutralen Erzähler wird man als Leser/in durch das Buch geführt. Ach was... geführt stimmt nicht - eher gepeitscht. Ständig stehen andere Personen im Fokus: Opfer, Täter, Ermittler und andere unmittelbar Beteiligte geben sich kapitelweise "die Klinke in die Hand". Besonders gefiel mir dabei, dass es immer sehr kurze Kapitel waren und so einfach keiner der Hanlungsstränge ermüdend werden konnte. Ich gebe zu, es war anfangs etwas schwierig die Namen und Konstellationen aller Figuren im Hinterkopf zu behalten. Es ist aber auch gut möglich, dass das nur daran lag, da ich beim Lesen oft unterbrechen musste.
Kurz zum Inhalt: Durch einen Erdrutsch wird ein Grab beschädigt. Die Arbeiter denken, sie sehen nicht recht, als sie zwei Leichen im Sarg des beschädigten Grabes entdecken. Der eigentliche Tote und auf ihm eine Frau im Brautkleid, die vermutlich lebendig begraben wurde. Ganz besonders spektakulär wird es, als sich herausstellt, dass es nicht das einzige Grab in Großbritannien ist, dass eine Leichenbraut beherbergt: Ein Fall für Stephen Langs neues Team.
Zitat eBook-Seite 59: "Sieht aus, als hätten wir die Arschkarte gezogen! Wir sind die verhassten Streber. Alle werden die Daumen drücken, dass wir auf die Fresse fallen, und einige werden, wenn sie können, nachhelfen."
"Leichenbraut" ist das zweite Buch um Ermittler-Chef Stephen Lang und sein Team. Ich habe den ersten Teil "Dunkle Ufer" nicht gelesen, werde das aber nach diesem Werk auf jeden Fall nachholen. Der Geschichte konnte ich trotzdem sehr gut folgen. Spoiler auf den ersten Fall gab es keine. Die kleinen Rückblicke zum ersten Buch waren gut eingearbeitet. Somit ist das Buch wunderbar für jedermann geeignet - Leser/innen mit und ohne Vorkenntnisse.
Das Buch fängt mit einer sehr heftigen Sexszene an. Kurz danach wird es direkt sehr unheimlich - Spannung und Adrenalin ist in diesem Thriller einfach von Anfang an gegeben. Holla die Waldfee.
Wie immer fand ich die Täterperspektive ganz besonders interessant. Sage Dawkins hat die Passagen hierzu auch wunderbar packend und authentisch geschrieben.
eBook-Seite 79 - "Dann spazierte er hinaus, lässt nichts Mitgebrachtes zurück. Bis auf die Frau."
Am Ende überschlugen sich die Ereignisse einfach nur noch und die Kapitel wurden immer kürzer und kürzer, alle Handlungsstränge liefen zusammen. Genau mein Geschmack! Der Fall selber war äußerst spannend und ich habe vor lauter Schauplatz-Wechseln gar keine richtige Täter-Theorie aufgebaut. Normalerweise hat man ja recht schnell seinen "Lieblingsverdächtigen". Ich hatte auch einen. Leider habe ich den wahren Täter weit verfehlt, obwohl mir im Nachhinein auffiel, dass es schon einige Hinweise gab, die mich hätten stutzen lassen können.
Euch erwartet beim Lesen:
Ein sehr temporeiches, spannendes, kurzweiliges Buch mit einem ungewöhnlichen Plot, der nicht bereits mehrere hunderte Male da gewesen ist.
Ein sympathisches Ermittler-Team, was neu zusammen gewürfelt wurde und trotzdem schon toll funktioniert. (Leider jedoch gab es nicht für jede Figur kompletten Tiefgang.)
Ein Täter, der mir fast leid tat und mit dem ich sogar leicht sympathisierte.
Eine schwarze Witwe, die der Story etwas Unberechenbares verlieh.
Alles in allem ein toller Thriller für Menschen, die es auch nicht stört, wenn Sex, Gewalt und Ekel in Büchern eine gewisse Rolle spielen. Leser/innen, die nur die psychologische Komponente mögen, könnten hier an der einen oder anderen Stelle überfordert sein. Ich persönlich mochte das Buch unglaublich gern - ich gebe einen halben Stern Abzug, weil das Mini-Mini-i-Tüpfelchen in Form der vollständigen Figurentiefe noch etwas fehlte. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Ich denke, dass es für Stephen Lang und sein Team sicher weitergehen wird.