Eine nicht so glückliche Jugend in den 70ern
Edgar und Roman wachsen in den siebzigern Jahren in einem kleinen Dorf im Westen Deutschlands auf. Es ist eine unbeschwerte Kindheit, die sie erleben, was sich jedoch dramatisch ändert, als der Vater sich ...
Edgar und Roman wachsen in den siebzigern Jahren in einem kleinen Dorf im Westen Deutschlands auf. Es ist eine unbeschwerte Kindheit, die sie erleben, was sich jedoch dramatisch ändert, als der Vater sich in eine andere Frau verliebt und bald die Familie verlässt. Ihre Mutter verkraftet diesen Verlust kaum, und nach und nach bricht auch der Rest der Familie zusammen. Doch das Schlimmste kommt noch für die beiden Brüder ...
Was Willi Achten hier beschreibt (und ich wünsche mir für ihn, dass nichts oder nur wenig Autobiographisches darin enthalten ist), ist wohl so ziemlich das Schlimmste, was einem Kind oder Jugendlichen passieren kann: Die Menschen zu verlieren, die man liebt. Eindringlich und sehr bildhaft beschreibt der Autor das Leben und Erleben der Jungen aus der Sicht des jüngeren Edgar. Mir persönlich war dies zumindest in den ersten beiden Abschnitten etwas zuviel, zeitweise glaubte ich mich fast in einem Film, so detailliert waren Umgebung, Sinneseindrücke und Gefühle dargestellt. Viel Raum bleibt der Phantasie da nicht, dafür dürfte es eine eventuelle Drehbuchschreiberin vermutlich recht einfach haben Auch die Vorliebe des Autors für bestimmte Stilmittel fand ich entbehrlich: Aufzählungen und Wortwiederholungen. Hier ein Beispiel von nur einer Seite: "Ich hatte kein Ziel. Ich wollte allein sein. Ich mochte den Duft...". Ein paar Zeilen weiter "Ich wollte nichts hören ... Wollte nichts sehen ... Wollte in das Gespinst des Nebels schauen, ...". Wieder einige Zeilen weiter: "Ich musste ausruhen. ... Ich musste ausruhen von ... Ich musste ausruhen von ...".
Doch der dritte Teil macht Vieles wieder gut. Edgar und Roman müssen in ein Kinderheim (das steht auch im Klappentext, ich verrate also nichts ) und was sie dort erwartet, grenzt an eine Hölle auf Erden. Was hier beschrieben wird, ist so grausam, dass man kaum glauben kann, dass so etwas in Deutschland vor nicht einmal 50 Jahren möglich war. Ähnlich wie bei vielen institutionellen Missbrauchsfällen wurde auch hier (Schwarze Pädagogik) vertuscht und ein Mantel des Schweigens darüber gelegt. Zu meiner Freude hält sich der Autor in diesem Teil mit seiner Liebe zum Detail zurück und auch seine Lieblingstilmittel finden nur wenig Anwendung
Es ist ein Buch mit einem wichtigen Thema, das die Atmosphäre der Siebziger im Guten wie auch Bösen authentisch darstellt. Menschen, die damals groß wurden, werden sich zurückversetzt fühlen in ihre Kindheit und Jugend; die Anderen eine Zeit kennenlernen, die auch geprägt war durch den Geist des Dritten Reiches.