Allgemeines:
Dirk Kurbjuweit ist vielen als Journalist von Zeit und Spiegel bekannt, der sich sehr gut mit politischen Themen auskennt.
Eines seiner bekanntesten Bücher ist die Novelle Zweier ohne aus dem Jahr 2001, die in vielen Schulen gelesen wird. Viele seiner literarischen Erfolge wurden bereits verfilmt.
Haarmann ist am 17. Februar 2020 als gebundenes Buch im Penguin Verlag erschienen und umfasst 320 Seiten.
Inhalt:
„Hannover der 1920er-Jahre verschwinden Jungs, einer nach dem anderen, spurlos. Steckt ein bestialischer Massenmörder dahinter? Für Robert Lahnstein, Ermittler im Fall Haarmann, wird aus den Gerüchten bald schreckliche Gewissheit: Das Deutschland der Zwischenkriegszeit, selbst von allen guten Geistern verlassen, hat es mit einem Psychopathen zu tun. Lahnstein, der alles dafür gäbe, dass der Albtraum aufhört, weiß bald nicht mehr, was ihm mehr zu schaffen macht: das Schicksal der Vermissten; das Katz-und-Maus-Spiel mit dem mutmaßlichen Täter; die dubiosen Machenschaften seiner Kollegen bei der Polizei; oder eine Gesellschaft, die nicht mehr daran glaubt, dass die junge Weimarer Republik sie vor dem Verbrechen schützen kann.
Dirk Kurbjuweit inszeniert den spektakulärsten Serienmord der deutschen Kriminalgeschichte psychologisch raffiniert und extrem fesselnd. Eindringlich ergründet er die dunkle Seite der wilden 1920er-Jahre, zeigt ein Zeitalter der traumatisierten Seelen, der politischen Verrohung, der massenhaften Prostitution. So wird aus dem pathologischen Einzelfall ein historisches Lehrstück über menschliche Abgründe.“ (Quelle: Verlagsseite Random House)
Meine Meinung:
Dirk Kurbjuweit nimmt sich mit seinem Kriminalroman Haarmann eines historischen Stoffes an. Den Serienmörder Fritz Haarmann hat es tatsächlich gegeben. Er hat in den 1920er Jahren in Hannover und Umgebung viele Jungen umgebracht. Den Film „Der Totmacher“, der ebenfalls das Leben Fritz Haarmanns behandelt (gespielt von dem großartigen Götz George), inspirierte Kurbjuweit zu diesem Buch.
Zeitlicher Rahmen ist die Weimarer Republik, eine Zeit, in der die Demokratie wankte, die Nationalsozialisten erstarkten, die Niederlage des Ersten Weltkriegs die Deutschen fremdenfeindlicher werden ließ.
Dirk Kurbjuweit schreibt ohne Zweifel packend und kann Spannung erzeugen, das weiß ich aus anderen Bücher von ihm, die ich gelesen habe. Das stellt er auch in Haarmann eindrucksvoll unter Beweis. Mühsam wird das Lesen allerdings durch das Weglassen sämtlicher Redezeichen. Es gibt keine Anführungszeichen, wenn jemand spricht, keine Hinweise auf einen Rednerwechsel. Da in diesem Buch sehr viel gesprochen wird, ist das wirklich anstrengend. (Ich hätte niemals gedacht, dass durch diese Auslassungen der Lesefluss so stark beeinflusst wird.) Wenn man sich darauf einlassen kann, erwartet einen eine spannende Geschichte, die zudem sehr viel historisches Wissen vermittelt und einen guten Einblick in die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der 1920er Jahre gibt. Auch die damals (und oft leider auch heute noch) stark ausgeprägte Homophobie wird thematisiert.
Die Hauptfigur, der Ermittler Robert Lahnstein, ist sehr glaubwürdig entwickelt. Als Kriegsheimkehrer und überzeugter Sozialdemokrat hat er es nicht leicht auf seinem Revier. Er hat nicht genügend Menschen getötet im Krieg, um Anerkennung zu finden. Zudem lag er lange im Lazarett, auch das ist kein Grund für Sympathiepunkte bei seinen Kollegen. Außerdem trägt er eine für ihn persönlich Schmach daran, dass er während des Krieges homosexuelle Kontakte zu einem Kameraden hatte. Das macht ihn in dieser Zeit (und nicht nur in dieser) angreifbar und verletzlich.
Er wird mit den Ermittlungen zu Verbrechen eines mutmaßlichen Serientäters betraut. Ständig verschwinden Jungen und junge Männer in und um Hannover. Verzweifelte Eltern melden sie als vermisst. Viele der Jungen haben etwas gemeinsam: Sie fühlen sich zum gleichen Geschlecht hingezogen. Bei den Ermittlungen scheint Lahnstein einiges nicht richtig zu laufen. Akten sind nicht auffindbar, Zeugen werden teilweise nicht angehört oder nicht ernst genommen, Aktennotizen fehlen. Lahnstein hat zwar einen Hauptverdächtigen, kriegt ihn aber nicht gegriffen.
Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven. Der Täter und die Jungen kommen auch zu Wort. Der Leser weiß lange nicht, wo alles hinführt, er beginnt es aber nach und nach zu ahnen. Das ist gut gemacht und steigert die Spannung. Außerdem hat Lahnstein immer wieder Flashbacks. Auch in seiner Vergangenheit ist so einiges geschehen. Was genau, bleibt lange im Dunkeln.
Fazit:
Ein wirklich gut gemachter Krimi, wenn man sich nicht vom Lesen abhalten lässt, weil die Redezeichen fehlen.