Soghaftes Leseerlebnis
Wenn andere es sich abends vorm Fernseher gemütlich machen, müssen sie malochen: Rettungssanitäter, Türsteher, Taxifahrer, aber auch Drogendealer und Pfandflaschensammler sind unterwegs. Eine Nacht lang ...
Wenn andere es sich abends vorm Fernseher gemütlich machen, müssen sie malochen: Rettungssanitäter, Türsteher, Taxifahrer, aber auch Drogendealer und Pfandflaschensammler sind unterwegs. Eine Nacht lang begleitet der Leser sie durch Berlin, knappe 12 Stunden, die für manchen alles verändern.
Nagelschmidts Roman hat mich von der ersten Seite an gefesselt, ich war richtig im Leserausch. Seine Protagonisten sind so echt, dass man meint sie beim nächsten Besuch in der Hauptstadt beispielsweise im Späti nebenan antreffen zu können. Sie sind alle auf die eine oder andere Weise sympathisch, gerade auch wegen ihrer Fehler oder zweifelhafter Jobs; oft ist ihnen das Glück in letzter Zeit nicht unbedingt hold gewesen, trotzdem machen sie weiter. Jeden treibt etwas anderes an, die eine will nicht mehr allein in ihrer Wohnung sein seit der Lebenspartner verstorben ist, der andere steckt im Drogenmilieu fest und da laufen die Geschäfte nachts bei Feierlaune am besten. Man erhält Einblicke in die Köpfe und Gefühlswelten der Figuren, und das macht der Autor so gekonnt, dass man jeden kurz, aber sehr intensiv kennenlernt. Die Szenen reihen sich wahllos aneinander und ergeben trotzdem ein großes Ganzes, ohne dass dieses künstlich konstruiert wirkt. Mir hat der Roman unglaublich gut gefallen, und ich wäre mit den Protagonisten gerne noch eine weitere Nacht in der Hauptstadt unterwegs gewesen, auch weil Nagelschmidt mich mit seinem Stil komplett abgeholt hat. Ein starker Roman über Menschen wie du und ich.