Endlich ein Wiedersehen mit dem Waringhams!
Der aktuelle Roman und zugleich fünfte Band der Waringham-Saga spielt zur Regierungszeit Elizabeths I., und die Handlung beginnt im Jahr 1560, also genau 200 Jahre nach 'Das Lächeln der Fortuna', wo alles ...
Der aktuelle Roman und zugleich fünfte Band der Waringham-Saga spielt zur Regierungszeit Elizabeths I., und die Handlung beginnt im Jahr 1560, also genau 200 Jahre nach 'Das Lächeln der Fortuna', wo alles begann.
Diesmal dreht sich die Handlung in der Hauptsache um die Kinder und Enkelkinder von Nicholas of Waringham, dem Hauptcharakter des letzten Bandes 'Der dunkle Thron'. Francis, sein ältester Sohn, der jetzige Earl of Waringham, führt die familieneigene Pferdezucht mit Erfolg und außerdem das Internat in Waringham. Einen besonders großen und wichtigen Part des Romans nehmen jeweils Isaac und Eleanor, Francis' jüngere Geschwister, ein.
Eleanor lebt am Hof Elizabeths I. und wird überall nur 'Das Auge der Königin' genannt. Als ihre Milchschwester und enge Vertraute ist sie eine Meisterin darin, brisante Informationen für Elizabeth in Erfahrung zu bringen und geheime Machenschaften auszuspionieren. Sie hat sich voll und ganz der Königin verschrieben, und ihr Privatleben ist gleich Null, bis sie Gabriel Durham kennenlernt und sich in ihn verliebt. Diese Liaison ist völlig unmöglich und ganz und gar nicht standesgemäß, denn Gabriel ist der König der Diebe. Um nicht bei ihrer Königin in Ungnade zu fallen, trifft sich Eleanor heimlich mit ihm.
Isaac lebt bei einem Onkel in London, bis Francis' Sohn Lappidot an den Pocken erkrankt und sein Augenlicht verliert. Daraufhin wird Isaac nach Hause beordert, da er nun eines Tages Francis' Nachfolge antreten soll, aber seine Erinnerungen an den Familiensitz Waringham sind nicht die besten. Dorthin zurückzukehren erfüllt ihn mit Unbehagen, und so macht er sich aus dem Staub. Als blinder Passagier schleicht er sich auf ein Schiff im Hafen. Dass ihn diese Reise jedoch so weit von zuhause wegführt, hat er sich nicht träumen lassen. Als er entdeckt wird, arbeitet er eine Zeitlang für den Kapitän und Freibeuter Hawkins als Schiffsjunge, aber Hawkins ist skrupellos und verkauft den Fünfzehnjährigen auf der Insel Teneriffa als Sklaven. Damit beginnt eine Leidenszeit für den jungen Mann, denn es dauert lange, bis er seine Freiheit zurück erlangt und die Heimat wiedersieht.
Isaac ist ein waschechter Waringham und hat die gleichen Eigenschaften, die ich schon an seinen Vorfahren so mochte, denn auch wenn er in noch so verzwickten, ausweglosen und gefährlichen Situationen steckt, also in Zeiten höchster Not, hat er noch einen trockenen Spruch auf den Lippen.
Diesen schlagfertigen Humor, gepaart mit einer draufgängerischen, aber zugleich herzlichen, sympathischen Art, haben die meisten Helden von Rebecca Gablés Romanen.
Eigentlich ist es verwunderlich, dass Isaac und Eleanor sich nicht leiden können, denn im Verlauf der Handlung entdeckt man, dass sie viele Gemeinsamkeiten haben.
Wie eigentlich schon der vierte Band, so ist auch dieser neue Roman ganz anders als die drei Vorgänger, die im Mittelalter spielten. Die Zeiten haben sich geändert und mit ihnen die Lebensart. Die Ära der tapferen, edelmütigen Ritter, die ihr Leben in so mancher Schlacht aufs Spiel setzten und auch oft verloren, gehört der Vergangenheit an. Dafür ist die Welt für die Menschen größer geworden, denn mit dem Schiff erreichen sie auch entfernteste Winkel der Erde. Die Seefahrt in fremde Länder und die Freibeuterei bringen neue Gefahren und Abenteuer mit sich, und Isaac muss für seine Ideale und damit gegen die Sklaverei kämpfen, die er so bitter am eigenen Leib erfahren hat.
Häufige Szenenwechsel im Roman, die an den englischen Königshof und dann wieder auf die raue See bzw. in ferne Länder führen, machen das Buch zu einem kurzweiligen Lesevergnügen. Da die Überschriften der einzelnen Kapitel immer den jeweiligen Ort und das Datum verraten, wo man sich gerade befindet, fallen die Sprünge zwischen den verschiedenen Handlungssträngen leicht.
Der Ort Waringham spielt diesmal eher eine untergeordnete Rolle, da sich das Leben der Familie mehr und mehr an Elizabeths Hof abspielt, denn auch Lappidot geht seinen Weg, der ihn von seinem Zuhause weg und an den Königshof führt.
Hier erfährt man mehr über Elizabeths Probleme mit ihrer papistischen Cousine Mary Stewart, die ihr nach dem Thron trachtet und sich ein katholisches England zurück wünscht. Wie man es von der Autorin gewohnt ist, fließt sehr viel Wahres, historisch Verbürgtes, in die Handlung ein. Wenn man die englische Geschichte der damaligen Zeit kennt, merkt man, wie aufmerksam und gründlich Frau Gablé hier recherchiert hat und wie authentisch sie ihre fiktiven Charaktere um die wahren historischen Persönlichkeiten herum arrangiert und so eine glaubhafte und spannende Geschichte daraus macht. Gerade die aufreibenden Machtkämpfe zwischen der protestantischen Elizabeth und ihren katholischen Gegnern ist ein großes Thema des Romans. Eine weitere Besonderheit ist die neue Rolle der Frauen. Diese sind nicht mehr länger nur schmückendes Beiwerk, sondern stehen mit beiden Beinen im Leben und sind die aktuellen Heldenfiguren.
Interessant finde ich an Rebecca Gablés Romanen, dass sie die historischen Personen, wie eben hier Elizabeth I., Mary Stewart, Robert Dudley und einige andere, immer aus dem Blickwinkel ihrer Protagonisten, eben der Waringhams, sieht und darstellt. Das bringt oft ganz andere Wesenszüge zutage als man von den entsprechenden Personen aus Geschichtsbüchern kennt, aber es macht die Geschichte und die Menschen dieser Zeit lebendig und vorstellbar.
Ich könnte hier noch ewig so weiterschreiben, denn bei einem Wälzer von über 950 Seiten gibt es so viele Eindrücke, dass mir nachträglich gar nicht mehr alles einfällt, was mir beim Lesen durch den Kopf gegangen ist und ich mit wenigen Sätzen gar nicht allem gerecht werden kann. Aber Tatsache ist, dass mich auch dieser fünfte Band wieder begeistern und mitreißen konnte. Ich habe jede Seite sehr genossen.