Evas Kampf für ihr Glück
1950er Jahre. Constanzes Rosanowskis 16-jährige Tochter Eva kann es gar nicht erwarten, endlich mit ihrer Mutter nach England zu Gordon Wade überzusiedeln und dem verhassten System in Ost-Berlin zu entkommen, ...
1950er Jahre. Constanzes Rosanowskis 16-jährige Tochter Eva kann es gar nicht erwarten, endlich mit ihrer Mutter nach England zu Gordon Wade überzusiedeln und dem verhassten System in Ost-Berlin zu entkommen, um auch am Nachkriegsaufschwung teilzuhaben. Doch dann zerplatzt ihr Traum wie eine Seifenblase, als plötzlich ihr tot geglaubter Vater Clemens auf der Türschwelle steht. Aber Eva kann auch dieses Ereignis nicht aufhalten, sie will unbedingt studieren und flüchtet dafür waghalsig in den Westen. Als sie dort dem wesentlich älteren Fluglehrer Wilhelm Bressler begegnet, ist es schnell um sie geschehen. Sie verliebt sich Hals über Kopf in ihn, aber schon bald holt sie Wilhelms Vergangenheit ein. Eva muss erneut kämpfen…
Izabelle Jardin hat mit „Wunderjahre“ den zweiten Band ihrer Warthenberg-Saga vorgelegt, der fast nahtlos an den ersten Teil anschließt und diesmal Eva in den Vordergrund der Ereignisse rückt. Der flüssige, bildreiche und gefühlvolle Erzählstil führt den Leser in die Vergangenheit von 1949 bis 1961, wo ihn nicht nur ein gut recherchierter und interessanter historischer Hintergrund erwartet, sondern auch Evas Schicksal ihn in den Bann zieht. Allein schon die Rückkehr von Clemens gleicht einem Wunder, das zwar erfreulich ist, aber auch die Hoffnung einiger weniger sowie die bereits gefassten Pläne mit einem Schlag zerstört. Die bedrohliche politische Atmosphäre in der damaligen DDR wird von der Autorin sehr gut an den Leser gebracht und zeigt auf, welch eingeschränkten Handlungsspielraum die Menschen hatten und viele von ihnen zur Flucht in den Westen trieben. Auch Eva wagt den mutigen Sprung ins Ungewisse, denn ein Studium bleibt in Ostberlin für sie nur ein Traum. Bildgewaltig und mit viel Empathie in Anlehnung an ihre eigene Familiengeschichte lässt die Autorin durch ihre Schilderungen vor dem inneren Auge des Lesers einen Film ablaufen, um alles hautnah mitzuerleben, während er Eva auf ihrem unsicheren Weg folgt. Geschickt eingestreute Wendungen halten den Spannungslevel durchgehend auf hohem Niveau und lassen den Leser regelrecht an den Seiten kleben.
Authentisch inszenierte und lebendig wirkende Charaktere machen es dem Leser mit ihren glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften leicht, sich ihnen nahe zu fühlen und mit ihnen zu hoffen, zu bangen und zu fiebern. Eva ist intelligent, wissbegierig und mit einem großen Sinn für Gerechtigkeit ausgestattet, der es ihr schwer macht, sich dem politischen Regime unterzuordnen. Sie hat Träume und kämpft für deren Realisierung, was ihr viel Mut und Kraft abverlangt. Wilhelm ist ein charismatischer und lebenslustiger Mann, der mit seiner Warmherzigkeit und seinem Optimismus Eva den Kopf verdreht. Gordon ist ein ganz lieber Kerl mit viel Anstand und vor allem Feingefühl. Aber auch Constanze, Clemens, Agnes und Uroma Charlotte dürfen in dieser Geschichte keinesfalls fehlen.
„Wunderjahre“ ist eine gelungene, spannende und sehr emotionale Fortsetzung, in der es vor einem gut recherchierten historischen Hintergrund um Hoffnungen, Träume, Verluste, Ängste und die Liebe geht. Zauberhaft erzählt und daher mit einer absoluten Leseempfehlung ausgestattet!