Lebenssekunden, ein Moment, der alles verändert
Die 15jährige Angelika Stein hat einen großen Traum: sie will Fotografin werden! Als sie von der Schule geworfen wird, scheint sich ihr Wunsch nicht mehr zu erfüllen. Trotz ihrer fotografischen Vorkenntnisse ...
Die 15jährige Angelika Stein hat einen großen Traum: sie will Fotografin werden! Als sie von der Schule geworfen wird, scheint sich ihr Wunsch nicht mehr zu erfüllen. Trotz ihrer fotografischen Vorkenntnisse und dem Talent, will kein Fotograf sie einstellen. Über Umwe-ge lernt sie doch noch einen Fotografen kennen, der ihr Können und Wissen zu schätzen weiß und sie als Lehrling einstellt.
In der DDR trainiert zeitgleich die 15jährige Leistungsturnerin Christine Mangold. Ihr gro-ßes Ziel sind die Olympischen Spiele. Die harten Trainingsmethoden und der dazugehörige Drill setzen Christine immer mehr zu. Nicht nur gesundheitlich, sondern auch seelisch. Im-mer wieder ertappt sie sich dabei, dass sie oft an ihrem großen Wunsch zweifelt. Möchte sie wirklich einer der großen DDR – Sportlerinnen werden?
Lebenssekunden ist bereits der dritte Roman von Katharina Fuchs, der jetzt im März 2021 erschienen ist. Von ihren vorherigen Büchern (Zwei Handvoll Leben und Neuleben) habe ich leider noch keins gelesen und für mich ist dieses Werk eine Premiere! Allein der Titel „Le-benssekunde“ weckte schon meine Neugierde und ich fragte mich: Wofür steht dieser Titel bzw. was für eine Geschichte mag sich dahinter verbergen? Um meine Neugierde ein wenig zu stillen, las ich den Klapptext und ab diesem Moment, wusste ich, dass diese deutsch-deutsche Geschichte genau meinen Nerv trifft.
Der flüssig-leichte und zugleich sehr berührende Schreibstil der Autorin hat mich von An-fang an überzeugt und ließ mich sofort in die Geschichte von Angelika Stein und Christine Mangold ein und abtauchen. Katharina Fuchs ist wahrlich ein „Fuchs bzw. eine Füchsin“, denn sie weiß wie sie ihre Leserschaft in ihren Bann ziehen kann. Mich eingeschlossen. Dank ihrer facettenreichen und authentischen Darstellung wirkten die Charaktere sehr le-bendig und so entstand der Eindruck, dass man sie schon seit Jahren kennen würde. Die re-bellische Angelika Stein, die so gerne Fotografin werden möchte. Das war Ende der 50er Jahre leider kein leichtes Unternehmen. Frauen wurden ungern in einem Männerberuf einge-stellt und wenn dann wurden ihre Arbeiten meist unterschätzt, aber Angelika weiß sich durchzubeißen und kann sich in der Männerdomäne behaupten. Die Autorin beschreibt hier nicht nur den steilen Werdegang einer angehenden Fotografin, sie lässt ihre Leser auch einen Blick hinter die Kulissen eines Fotografen werfen. Dunkelkammer, Entwickler, Abzüge und sogar die spannungsgeladenen Momente, die jeder Fotograf erlebt, wenn er zum ersten Mal sein Bild in Natura sieht, hält Katharina Fuchs ihren Lesern nicht vor. Ein wirklich sehr inte-ressanter und spannender Einblick.
Parallel zu Angelikas Werdegang lebt die ehrgeizige Christine Mangold in der DDR, die auch nur einen großen Traum hat: sie möchte eine erfolgreiche Kunstturnerin werden. Hartes Training und eiserne Disziplin stehen ganz oben auf ihren Tagesplan und wenn dies alles nicht ausreichte, griff man in der DDR auch schon mal zu ganz anderen Maßnahmen. Hun-ger, Drill und auch Trainerübergriffe standen dann ebenfalls auf dem Stundenplan und das alles nur für ein Stückchen Erfolg. Über Gesundheit und deren Spätfolgen machte sich kaum Einer Gedanken. Detailliert und erschüttert beschreibt sie den Alltag einer Kunstturnerin. Auch wenn Christines Karriere der eigentliche Fokus war, so blieb die politische Entwick-lung Ende der 50er bzw. Anfang der 60er nicht außen vor. Pendeleien nach West und Ostber-lin, Grenzübergänge, Überwachungen durch die Stasi und auch der Mauerbau 1961 finden hier ihren Platz.
Aufgrund dessen, dass die Handlung abwechselnd aus der Sicht beider Hauptcharaktere er-zählt wird, konnte ich mich sehr gut in die beiden Leben hineinversetzen. Am Anfang der Geschichte erschloss mir noch nicht so recht, wie die zwei „Schicksale“ zueinander finden würden, aber nach und nach kam Licht ins Dunkel und ich muss sagen, dass mir die Ver-flechtung beider Stränge sehr gut gefiel. Kompliment für diese berührende und spannende Lebensgeschichte. Auch wenn man dies nicht merkt möchte ich darauf hinweisen, dass es sich hierbei um eine fiktive Geschichte handelt. Aber wer weiß, vielleicht hat sich irgendwo genau diese Geschichte so abgespielt…
Eine deutsch-deutsche Geschichte über zwei junge Frauen, die nicht bewegender hätte sein können. Ein Buch, dass mich nicht nur auf eine Lebens-Reise mitnahm, sondern auch noch emotional berührt und erschüttert hat. Für mich war dieser Roman ein weiteres Lesehigh-light 2021! (Ganz oben auf meiner Leseliste stehen schon ihre beiden bereits erschienen Werke)
5 von 5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung obendrauf!