Eiskalter Buchtipp
Die Kurzgeschichte "Blutkristalle" von Ursula Poznanski greift das Thema Stalking auf. Doch anders wie vermutlich erwartet, schreibt die Autorin aus Sicht des Stalkers Wolfram und nicht aus der des Opfers. ...
Die Kurzgeschichte "Blutkristalle" von Ursula Poznanski greift das Thema Stalking auf. Doch anders wie vermutlich erwartet, schreibt die Autorin aus Sicht des Stalkers Wolfram und nicht aus der des Opfers. Dieses wird von Ella verkörpert, wo wir - nebst ihrem neuen Freund Paul - auch schon bei dem wichtigsten Charakter wären. Über Ella und Paul erfahren wir nur das Nötigste, was völlig ausreichend ist.
Über Wolfram dagegen erfahren wir als Antagonist etwas mehr. Die Autorin spielt hier mit Wesenszügen, die ersichtlich machen, wie gestört das Wahrnehmungsgefühl solcher Menschen sein muss. Mit seiner namens- und gesichtslosen Begleitung, welche für ihn eher ein lästiges Anhängsel ist, gleiten wir mühelos durch die Story.
Ella hat ihren Stalker bisher weder zu Gesicht bekommen noch weiß sie, wer er ist. Sie weiß nur eins: Er ist da und er ist gefährlich. Dieser Umstand soll sich Wolframs Meinung nach alsbald ändern und so plant er peinlich genau Pauls Tod, um von Ella wahrgenommen zu werden. Doch ein einfacher Mord kommt da nicht in Frage, es muss ein raffiniert konstruierter Unfall sein. Denn am Ende möchte er doch Ellas Retter und Held sein. Da kommen die Urlaubspläne des Paares gerade wie gerufen.
Dieser Thriller ist kurz und knackig, doch hat alles, was es braucht, um den Leser zu fesseln und zwischendurch den Atem anhalten zu lassen. Ursula Poznanski versteht sich darauf, dem Spruch "In der Kürze liegt die Würze" gerecht zu werden. Sie verliert keine Zeit mit unnötigen Details, sondern fokussiert sich auf das Wesentliche. Am Ende war ich erstaunt und überrascht, denn mit diesem Showdown hätte ich so nicht gerechnet. Ich fand es dann sogar ein wenig schade, dass es eben nur eine Shortstory ist.
Persönliches Fazit: Bisher habe ich immer die Finger von Kurzgeschichten gelassen, denn die können ja aufgrund ihrer Kürze nichts Fesselndes und Ausgereiftes sein. "Blutkristalle" hat mich eines Besseren belehrt. Kurz, knackig und auf dem Punkt. Insbesondere die Täterperspektive fand ich erfrischend. Die Autorin hat mich absolut überzeugt. Ein eiskalter Buchtipp!