Bewegende Schicksale
Das Titelbild (ockergelber Hintergrund) zeigt eine tote Biene, die auf dem Boden liegt. Während der Hintergrund matt ist, wurde die Biene leicht eingeprägt und glänzt. Darüber stehen in schwarzer Schrift ...
Das Titelbild (ockergelber Hintergrund) zeigt eine tote Biene, die auf dem Boden liegt. Während der Hintergrund matt ist, wurde die Biene leicht eingeprägt und glänzt. Darüber stehen in schwarzer Schrift Autorenname und Titel, sowie das Wort Roman. Schlicht und schön. Das Titelbild hat mich gleich beim ersten Anschauen fasziniert.
Packt man das Buch aus, ist es honiggelb.
Inhaltlich erfährt man die Geschichte von drei Familien in drei unterschiedlichen Zeitaltern. Da ist zum einen William, im England des Jahres 1852, der gern Naturforscher wäre und schließlich in den Bienen und der Erfindung eines neuen Bienenstockes seine Berufung findet. In den USA, genauer in Ohio, arbeitet George im Jahr 2007 als Imker. Er träumt davon, dass sein Sohn Tom das Unternehmen eines Tages übernehmen wird, doch der studiert und interessiert sich für ganz andere Dinge. Dann beginnen die Bienenvölker eines Tages zu sterben.
Tao ist Arbeiterin China. Sie lebt im Jahr 2098. Die Menschen müssen alle Blüten von Obstbäumen etc. von Hand bestäuben, weil die Bienen ausgestorben sind. Das hat zu großen Hungerkatastrophen geführt. An einem ihrer wenigen freien Tage mach Tao mit ihrem Mann Kuan und dem vierjährigen Sohn Wei-Wen einen Ausflug. Wei-Wen erleidet einen Unfall und verschwindet in dem unüberschaubaren China. Doch Tao gibt nicht auf und beginnt, ihren Sohn zu suchen.
Alle Protagonisten haben ihre Ecken und Kanten, ich finde sie nicht einmal besonders sympathisch, trotzdem ist es ein Vergnügen, sie zu begleiten.
Was sich in der Zusammenfassung so unspektakulär anhört, erschafft im Roman einen Kosmos, in dem die Bienen und ihre Geschichte das bestimmende und verbindende Element darstellen. Das Leben der drei Protagonisten, das jeweils aus ihrer Perspektive erzählt wird, wobei sich die einzelnen Perspektiven streng in eigenen (recht kurzen) Kapiteln abwechseln, wird jeweils in der „Ich-Form“ erzählt, so dass die Leserinnen und Leser einen unmittelbaren Eindruck von den Gedanken und Gefühlen der Erzähler bekommen. Schnell erkennt man, wo sie irren, wo sie unrealistisch sind, wo sie sich selbst betrügen.
In der Zusammenschau erfährt man ziemlich genau, was zum Aussterben der Bienen geführt hat und können erkennen, dass jetzt gerade noch Zeit ist, wenn wir ein ähnliches Geschehen in unserer Realität verhindern wollen. Einige der genannten Gründe, wie die Milben, sind ja bereits am Wirken.
Maja Lunde erzählt in einem Stil, der einen sofort in die Lebensumstände ihrer drei Protagonisten hineinzieht. Man versteht, was sie warum tun und will erfahren, wie es mit ihnen weitergeht, obwohl man es im Grunde schon ahnt oder beinahe sicher weiß, da die anderen Ebenen jene Informationen bereits voraussetzen. Trotzdem fiebert man beim Lesen mit ihnen mit. Besonders das Schicksal von Tao, die ihren Sohn sucht, hat mich sehr berührt.
Nebenbei erfährt man unglaublich viel über Bienen, ohne dass das belehrend wirkt. Es fügt sich in die Handlungen, ja, ohne die Informationen wäre die Handlung so nicht denkbar.
Durch diese gelungene Kombination aus heimlichem Sachbuch und unglaublich intensivem Erzählen persönlicher Schicksale gelingt es der Autorin, zum Nachdenken anzuregen. Welche Zukunft hinterlassen wir unseren Kindern?