Was bleibt, wenn man keine Wurzeln schlagen kann
Als Waisen ziehen die Schwestern Sam und Lucy mit einem gestohlenen Pferd und der Leiche ihres Vaters zu Zeiten des Goldrausches durch die Einöde der Prärie. Einziger Begleiter ist der Wind, der ihnen ...
Als Waisen ziehen die Schwestern Sam und Lucy mit einem gestohlenen Pferd und der Leiche ihres Vaters zu Zeiten des Goldrausches durch die Einöde der Prärie. Einziger Begleiter ist der Wind, der ihnen Erinnerungen zuflüstert und ihnen den Weg weist, um eine geeignete Stelle für das Grab des Vaters zu finden. Als Kinder chinesischer Einwanderer sind sie unerwünscht und wurzellos. Ihre Suche nach einem Zuhause, einer Identität bestimmt ihr Leben.
C Pam Zhang hat mit diesem Debütroman eine unglaublich intensive, schonungslose Geschichte erzählt, die nur durch die wundervoll poetische Sprachmelodie der Autorin erträglich bleibt. Es gab einige Stellen, an denen ich eine Pause einlegen musste, um mich zu sammeln und weiterlesen zu können. Das Schicksal der chinesischen Arbeitsmigranten wird so lebendig beschrieben, dass es einem die Sprache verschlägt.
"Aus der Entfernung sehen die Hügel ihrer Kindheit hell und sauber aus. Sie hat genügend Regenzeiten erlebt, und immer versank alles im Schlamm. Dünne Erde verwandelte sich in Suppe, jeder Tag durchtränkt und aufgesaugt von den Gezeiten des Lebens. Aus der Entfernung erkennt man nicht, wie gefährlich der Westen ist, wie dreckig."
Der amerikanische Traum versprach Reichtum und ein Zuhause, doch für die chinesischen Eltern der elfjährigen Sam und der zwölfjährigen Lucy wird es ein unerreichbarer Traum bleiben. Statt des erhofften Goldes müssen sie Kohle abbauen, um zu überlegen. Sie werden ausgebeutet und verachtet. Viel zu schnell verlieren die beiden Mädchen ihre Eltern und ihren Halt. Sie klammern sich an das überlieferte Ritual, wie Tote zu begraben sind und transportieren den verwesenden Leichnam des Vaters Tag um Tag weiter, um ihn an einer vorherbestimmten Stelle zu beerdigen, damit er Ruhe findet.
Diese Story allein ist schon romanfüllend, doch es finden sich noch mehr Themen, die ineinander verschlungen werden. Die Zerstörung und Ausbeutung der Natur durch Modernisierung und Wachstum wird eindringlich beschrieben. Ureinwohner, Tiere und Landschaften gehen verloren. Der bisher gefeierte Wilde Westen wird Stück für Stück demontiert.
Die Grundstimmung ist geprägt von Verlust, Trauer und Hoffnungslosigkeit. Es ist keine leichte Kost, die die Autorin dem Leser vorsetzt und teilweise fühlte ich mich überfordert, so viel an negativen Ereignissen aufzunehmen. Wie viel Leid kann ein Mensch ertragen? Bis zum letzten Abschnitt war ich gefangen und bewegt von der Handlung. Dann fiel es mir doch schwer, den abrupten Wechsel der Geschichte zu akzeptieren. Zu sprunghaft und unglaubwürdig wechselten die Themen, die auf ein offenes Ende zuliefen.
Mich hat dieser Roman noch lange beschäftigt und auf die wieder einmal nur mangelhaft offene Berichterstattung geschichtlicher Daten aufmerksam gemacht. Ein interessanter Roman, der es verdient, weiterempfohlen zu werden.