Ein wendungsreicher Kriminalroman vor historischer Kulisse
Inhalt: Batavia 1634. Ein Schiffskonvoi macht sich auf die strapaziöse, achtmonatige Reise nach Amsterdam. Mit an Bord der „Saardam“ ist der Meisterdetektiv Samuel Pipps, der kurz zuvor noch erfolgreich ...
Inhalt: Batavia 1634. Ein Schiffskonvoi macht sich auf die strapaziöse, achtmonatige Reise nach Amsterdam. Mit an Bord der „Saardam“ ist der Meisterdetektiv Samuel Pipps, der kurz zuvor noch erfolgreich einen wichtigen Auftrag für den Generalgouverneur Jan Haan ausgeführt hat. Doch Pipps betrat das Schiff nicht als gefeierter Held, sondern als Gefangener. Was er sich angeblich hat zu Schulden kommen lassen, weiß nur Haan. Auch sonst steht die Fahrt unter keinem guten Stern. Kurz vor der Ausfahrt aus dem Hafen sprach ein Aussätziger Verwünschungen über das Schiff aus – obwohl er keine Zunge besaß. Anfangs werden seine Worte noch als Geschwätz eines verwirrten Geistes abgetan, doch plötzlich finden sich auf dem Schiff seltsame Male. Die Matrosen sind sich sicher: Ein Dämon treibt sein Unwesen.
Persönliche Meinung: „Der Tod und das Dunkle Meer“ ist ein Kriminalroman von Stuart Turton, in dem sich Elemente der Gattung „historischer Roman“ finden. Turton wehrt sich zwar in seinem – recht eigenwillig geschriebenem – Nachwort gegen diese Bezeichnung, weil er bewusst nicht alles 100%ig historisch korrekt beschrieben hat, aber dennoch ist gerade im Mittelteil die Handlung eher historisch als krimimäßig. Erzählt wird die Handlung hauptsächlich aus den Perspektiven von Arent Hayes, dem Leibwächter und Freund Samuel Pipps, und Sara Wessel, der Frau des Generalgouverneurs. Bei der Beziehung von Pipps und Arent erinnert einiges an „Sherlock Holmes“. Pipps ist ein brillanter Beobachter und deduziert – wie Holmes – aus den kleinsten Beobachtungen die waghalsigsten, aber richtigen Schlüsse. Arent übernimmt die Rolle des Watson, des helfenden Sidekicks, der die berühmtesten Fälle des Detektivs verschriftlicht. Es gibt aber in „Der Tod und das Dunkle Meer“ einen gravierenden Unterschied: Pipps, der Meisterdetektiv, kann aufgrund seiner Gefangenschaft nicht ermitteln, sodass Arent und Sara die Rolle der Ermittlerfigur einnehmen und versuchen herauszufinden, was der Ursprung der mysteriösen Vorfälle auf dem Schiff ist. Die Handlung beginnt durch das Aufwerfen einiger Fragen bzw. das Schildern mysteriöser Umstände sehr spannend (um nur einzelne Fragen zu nennen: Warum wurde Pipps gefangen genommen? Weshalb kann der zungenlose Aussätzige reden? Was ist die „Phantasterei“, die von dem Schiff auf Geheiß von Haan transportiert wird?). Im Anschluss an den starken Anfang, fällt die Spannungskurve etwas. Nach dem ersten Auftauchen des Mals beginnen Arent und Sara mit ihren Ermittlungen, suchen den Ursprung des „Dämons“, treten aber auf der Stelle. Auch das Mal zeigt sich (zunächst) nicht wieder, sodass die Handlung mehr oder weniger stillsteht. Das Leben auf dem Schiff, das detailliert beschrieben wird, nimmt in diesem Mittelpart einen großen Raum ein. Für Spannung sorgt eher, dass die Vergangenheit einzelner Figuren beleuchtet wird und verborgene Beziehungen aufgedeckt werden. Generell sind die Figuren eine große Stärke des Romans. Einerseits besitzen sie eine schöne Dreidimensionalität, andererseits sind viele Figuren nicht das, was sie vorzugeben scheinen, wodurch die Handlung insgesamt an Wendungsreichtum und Überraschungsmomenten gewinnt. Nach dieser eher spannungsarmen Phase steigt die Spannungskurve wieder: Mysteriöse Begebenheiten nehmen zu, die Taktung der Morde ist höher, es kommt zu einigen wichtigen Aufdeckungen. Zuletzt nimmt auch das Ende (und damit die Auflösung) der mysteriösen Vorfälle einen großen Raum ein: Hier werden – auch wieder in Holmes-Manier – wirklich alle Fragen beantwortet, sodass die Handlung insgesamt sehr schlüssig und rund ist. Die Auflösung ist zwar nicht so bahnbrechend und „twistig“ wie der Schluss von Turtons „Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle“, aber dennoch sehr überraschend und nicht vollständig zu erahnen. Wie schon in „Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle“ schreibt Turton metaphernreich und detailliert, sodass man in die Handlung hineingezogen wird und tiefenscharfe Bilder entstehen. Für mich konnte Turtons zweiter Roman nicht ganz an „Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle“ heranreichen, was aber aufgrund der hohen Messlatte, die Turton mit seinem Erstling gesetzt hat, auch fast ein Ding der Unmöglichkeit ist und daher nicht so stark ins Gewicht fällt. Insgesamt ist „Der Tod und das Dunkle Meer“ aber ein wendungsreicher und gut durchdachter historischer Kriminalroman, der dreidimensionale Figuren besitzt und schön geschrieben worden ist.