Die tragischen Wege einer deutschen Familie
Eine deutsche Familie in Südamerika: in den 1950ern gab es viele solche, entweder hatten sie sich bereits in den 1930ern abgesetzt oder aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg - klare Hinweise auf die jeweilige ...
Eine deutsche Familie in Südamerika: in den 1950ern gab es viele solche, entweder hatten sie sich bereits in den 1930ern abgesetzt oder aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg - klare Hinweise auf die jeweilige Abstammung bzw. Gesinnung. Familie Ertl gehört zur zweiten Kategorie: Vater Hans war ein erfolgreicher, für seine Zeit extrem innovativer Kameramann, der im Dritten Reich unglaubliche Erfolge feierte, bspw. im Olympia-Film von Leni Riefenstahl. Auch wenn er selbst nicht sehr politisch dachte, wirkten diese Erfolge natürlich nach und er fand keinen Platz im Nachkriegsdeutschland. Also Bolivien - mit der ganzen Familie.
Jahrzehnte später entwickelte sich seine Tochter Monika zu einer linksradikalen Guerillakämpferin, die ein tragisches Ende nahm.
Es sind Wege einer deutschen Familie, die hier geschildert werden, mehrere, weil diese Familie auseinanderdriftet, keinen Zusammenhalt mehr hat und unterschiedliche Lebensrichtungen einschlägt. Gewiss, Vater Hans und die älteste Tochter Monika sind sicher die hauptsächlichen Protagonisten, doch dieser kurze, dennoch extrem gehaltvolle und eindringliche Roman lebt vor allem davon, dass unterschiedliche Sichtweisen geschildert werden, so auch die der jüngeren Töchter Heidi und Trixi. Und diese betreffen nicht nur Hans und Monika, sondern auch die Wahrnehmung der anderen Familienmitglieder und geben Einblick in das Gefüge.
Hasbún hat sich einiges an dichterischer Freiheit bewahrt, wozu er ja auch jedes Recht hat - die Rolle von dem in Bolivien als Klaus Altmann lebenden Klaus Barbie bei Monika Ertls Tod bleibt bspw. völlig außen vor.
Meiner Ansicht nach ist dieser Roman überhaupt nichts für Leser, die nicht an Geschichte interessiert sind und nicht in den Hintergrund des Romans eintauchen wollen. Denn ich kann mir nicht vorstellen, was sie von diesem Roman haben sollten - in solchen Fällen sind und bleiben diese Schilderungen böhmische bzw. bolivianische Dörfer für den Leser.
Schwere Kost also? Eigentlich nicht, finde ich, denn der junge Autor schreibt leichtfüßig und wortgewandt, es macht Spaß, ihm zu folgen, auch wenn die Materie an sich natürlich keine einfache ist.
Ein kleines Buch, das großen Gewinn für seine Leser bringen kann, aber nicht muss. Definitiv kein Buch für jedermann. Ich empfehle es von Herzen weiter, allerdings mit den erwähnten Einschränkungen.