Als Uhrmacher nach London
„...Die Zeit hat keinen Anfang und kein Ende. Das Leben eines Menschen wiegt in der Ewigkeit nicht mehr als eine Nadel im Tannenwald...“
Diese Worte aus der Predigt des Pfarrers berühren den 5jährigen ...
„...Die Zeit hat keinen Anfang und kein Ende. Das Leben eines Menschen wiegt in der Ewigkeit nicht mehr als eine Nadel im Tannenwald...“
Diese Worte aus der Predigt des Pfarrers berühren den 5jährigen Johannes noch nicht. Er langweilt sich. Außerdem wird dieser Tag ein wichtigeres Ereignis beinhalten. Ab sofort ist er nicht mehr der Jüngste, denn sein kleiner Bruder Ernst kommt zur Welt.
Der Autor hat einen spannenden und inhaltsreichen historischen Roman geschrieben. Er beginnt im Jahre 1824 in einem kleinen Schwarzwaldort und wird mich an der Seite der Protagonisten nach London an den Hof von Königin Victoria führen.
Der Schriftstil passt sich den Gegebenheiten an. Anfangs nehme ich teil am Leben der bäuerlichen Familie im Schwarzwald. Zur Aufbesserung der Finanzen werden neben der Landwirtschaft Uhren gebaut. Sehr detailliert erfahre ich, wie das geschieht.
Ernst hat ein Händchen für Uhren. Er wagt sich auch an kompliziertere Laufwerke. Johannes dagegen erweist sich als cleverer Geschäftsmann.
Währenddessen stirbt in England der König. Plötzlich erfährt Victoria, dass sie die Thronerbin ist.
Nach einem Unfall auf dem Hof, hat Johannes dort keine Zukunft mehr. Dass er überhaupt wieder auf die Beine kommt, hat er Ernst zu verdanken. Der redet nicht viel, wenn aber doch, dann Klartext.
„...Die Zeit geht voran, aber du bist wie ein verhaktes Uhrwerk...“
Hier wird deutlich, dass Ernst meist Vergleiche aus der Welt der Uhren wählt. Johannes verlässt zusammen mit Ernst den Hof und begibt sich nach London. Viele Schwarzwälder sind diesen Weg schon gegangen und haben in der Ferne ihr Glück gesucht.
Die Gefahren der Reise werden gut wiedergegeben. Auch London ist kein einfaches Pflaster. Dort regiert mittlerweile Victoria. Die ist zu einer selbstbewussten Frau erwacht, die auch ihren Mann deutliche Worte sagt.
„...Hör auf, mich ständig zu bevormunden und mir vorzuschreiben, was ich zu tun habe! Das steht dir nicht zu. Ich bin deine Königin!...“
Vor allem bei der Kindererziehung gibt es Diskrepanzen. Andererseits weiß Victoria, was sie an ihrem Mann hat. Nicht jeder ihrer lieben Verwandten ist ihr wohlgesonnen. Ihr Onkel aus Hannover lässt sie wissen:
„...Sie weiß ja, Männer sterben auf dem Schlachtfeld, Frauen im Wochenbett...“
Das Buch vereint das Leben fiktiver Personen mit realen Protagonisten aus der damaligen Zeit. Auch die wichtigsten Ereignisse werden gekonnt in die Handlung einbezogen.
Jedes Kapitel trägt als Überschrift den Teil einer Uhr. Der wird dann mit den ersten Worten näher erklärt:
„...Auch die Schwingung einer Unruhspiralfeder benötigt exakt dieselbe Zeit. Sie kann kleinen Uhren den Takt geben...“
Das Buch zeichnet sich durch einen hohen inneren Spannungsbogen aus. Deer ist den komplexen Beziehungen der handelnden Personen geschuldet. Gleichzeitig sorgt manch Geschehnis für die entsprechende äußere Spannung.
Die Zeitverhältnisse werden vielfältig und sehr lebendig geschildert. Einiges dabei war für mich neu, so die Erbschaftsregelungen im Schwarzwald.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.