Heimatlos
„Sie hatte keine Heimat. Das Unterrichten der Kinder war ihr zur Heimat geworden.“ Kindle, Pos. 121
Ihre Ausbildung zur Lehrerin ist zu Ende. Während die beste Freundin Elvira in München bleibt, schickt ...
„Sie hatte keine Heimat. Das Unterrichten der Kinder war ihr zur Heimat geworden.“ Kindle, Pos. 121
Ihre Ausbildung zur Lehrerin ist zu Ende. Während die beste Freundin Elvira in München bleibt, schickt die Behörde Antonie in das kleine Bergdorf Tannau nahe Berchtesgaden. Aber dort schlägt der jungen Frau von einigen Bewohnern tiefste Ablehnung entgegen, fast tritt sie schon wieder den Rückweg an, als Pfarrer Bichler noch schnell diplomatisch das Wort für sie ergreift und zumindest eine vorübergehende Anstellung erwirken kann. Im Jahre 1911 hat es eine Frau nicht leicht, etliche Steine säumen ihren Weg, darunter auch das Zölibat für Lehrerinnen.
Eine wunderbare Kulisse im Berchtesgadener Land, ein armes Bergbauerndorf, ein raues Klima, das sich bisweilen auch im Charakter der Einwohner widerspiegelt und eine liebenswerte, mutige junge Frau, die als Waise im Heim untergebracht war – schon hat Bettina Seidl alles, was sie für diesen schönen Roman braucht. Schnell reist der Leser gemeinsam mit Antonie ins Jahr 1911 zurück, wo ein karges, kaltes Zimmer als Unterkunft dient, wo schwere Körbe den Berg hinauf- und hinuntergeschleppt werden, wo man einen gestrengen Herrn Lehrer mit Rohrstock erwartet und nicht ein zartes Fräulein, das fröhliche Lieder auf den Lippen trägt. Als Kind ohne Heimat, allein im großen Schlafsaal oder gar nach einem kleinen Vergehen in den finsteren Karzer gesperrt, wünscht sich Antonie nichts sehnlicher, als endlich einen Platz zu finden, der ihr das Gefühl von Geborgenheit gibt, wo sie ihrer Berufung nachkommen kann, Kindern etwas fürs Leben mitzugeben, aber so einfach scheint das nicht zu funktionieren. Sie hat es wohl nicht verdient …
Bildreich und mit gut vorstellbaren Worten beschreibt die Autorin Szenen für Szene, mit fesselnden Details geht es hinauf ins Dorf. Die Personen, welche Antonie dort begegnen, sind rasch, aber detailliert dargestellt. Durch den flüssigen Schreibstil möchte man gar nicht mehr innehalten, sondern stets an Antonies Seite verbleiben und ihr Schicksal mitverfolgen, das so viel hier in den Bergen für sie bereithält.
Schneller als einem lieb ist, hat man die letzte Seite umgeblättert, mit Antonie mitgefiebert, den Atem angehalten, mit ihr gemeinsam gelacht und vielleicht sogar eine Träne geweint. Da hilft nur das Wissen, dass es eine Fortsetzung geben wird und man schon bald wieder Neues von der mutigen Lehrerin erfahren darf.
Sehr gerne gebe ich eine Leseempfehlung für alle, die gerne in der Nostalgie schwelgen, Heimatgeschichten lesen und eintauchen wollen in ein hartes und karges Leben, das dennoch viele schöne Momente bereithält, wenn man nur genau hinsieht.
Titel Die Dorflehrerin – Zwischen Liebe und Berufung
Autor Bettina Seidl
ASIN B092JH7TMQ
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Taschenbuch (384 Seiten)
Erscheinungsdatum 22. Dezember 2021
Verlag dtv
Reihe Die Dorflehrerin, Band 1