Familiengeheimnisse
Ulla Mothes neuester Roman befasst sich einerseits mit der deutsch-deutschen Vergangenheit vor und nach der Wende, aber auch mit der Geschichte einer Familie, die von den politischen Umständen beeinflusst ...
Ulla Mothes neuester Roman befasst sich einerseits mit der deutsch-deutschen Vergangenheit vor und nach der Wende, aber auch mit der Geschichte einer Familie, die von den politischen Umständen beeinflusst wurde. Der Titel "Flüchtiges Glück" ist dabei mindestens in zweifacher Hinsicht passend gewählt, weil es einerseits um Flucht (nicht hauptsächlich, aber auch aus der DDR und später aus Afghanistan, sondern vor allem auch vor der eigenen Schuld), andererseits aber auch um die Vergänglichkeit von Glück geht. Die Gestaltung des Covers hat mir ebenfalls sehr gut gefallen, die Farbgestaltung spricht mich an und sie passt zu einem Roman, der auch in den 70er und 80er Jahren in der DDR spielt.
Insgesamt wechselt der Roman aber auf den verschiedensten Zeitebenen, den letzten ca. 20 Jahren der DDR, der Zeit um den Jahrtausendwechsel und der Gegenwart. In der aktuellen Zeit ist die 23-jährige Studentin Milla schwanger von Navid, der aus Afghanistan geflohen ist, nachdem ein Großteil seiner Familie dort ermordet wurde. Milla dagegen ist wohlbehütet bei ihrer Mutter Jola und einem homosexuellen Männerpaar in einer Berliner WG aufgewachsen. Sie kennt aber ihren leiblichen Vater nicht, weil ihre Mutter ein Geheimnis um ihn macht. Navid drängt Milla nun dazu, herauszufinden, was in ihrer Familie vorgefallen ist, damit ihre Familiengründung quasi ohne ungeklärte Altlasten beginnt. So kommen immer mehr Details aus dem Leben von Millas Großmutter, die anscheinend für die Stasi tätig war und deren damalige Nachbarn ans Tageslicht und dies alles steht wiederum im Zusammenhang dazu, dass Milla ihren leiblichen Vater nicht kennt. Es geht aber auch um die Umweltverschmutzung im ehemaligen Chemiedreieck um Bitterfeld.
Mir hat der Roman sehr gut gefallen. Es war bereits mein zweites Buch der Autorin und auch diesmal hat sie es toll hinbekommen, Vergangenheit und Gegenwart miteinander zu verknüpfen und sogar Parallen aufzuzeigen. Alles wirkt sorgfältig recherchiert und die Personen sind sehr überzeugend gestaltet. Durch die verschiedenen Zeitebenen wird zusätzlich Spannung erzeugt. Der Schreibstil der Autorin ist gut lesbar und die Sprache sehr anschaulich und öfter auch symbolkräftig. Dadurch kann man sich sehr gut in die Beteiligten hineinversetzen. Ulla Mothes ist es durch ihre vielschichtigen Charaktere auch gelungen, deutlich zu machen, dass es bei der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit nicht ausschließlich Gut oder Böse gibt, sondern auch viel dazwischen.