Großartiger Roman über weibliche Wut
Kurzmeinung:
Wow, was für ein großartiger Roman! Mit "Die Wut, die bleibt" konnte mich Mareike Fallwickl erneut begeistern. Die Geschichte behandelt die verschiedenen Formen und Gründe weiblicher Wut, ...
Kurzmeinung:
Wow, was für ein großartiger Roman! Mit "Die Wut, die bleibt" konnte mich Mareike Fallwickl erneut begeistern. Die Geschichte behandelt die verschiedenen Formen und Gründe weiblicher Wut, das Leben im Patriarchat und die himmelschreiende Ungerechtigkeit, die das mit sich bringt. Das Buch trifft einen Nerv, sowohl gesellschaftlich, als auch bei mir persönlich.
TW: Suizid, Gewalt
Meine Meinung:
Bei diesem Buch ist der Name Programm. Die "Die Wut, die bleibt" von Mareike Fallwickl hat mich bewegt und erschüttert und hat die Wut, die es schon lange in mir gab, wunderbar in Worte gefasst. Und dafür bin ich Mareike Fallwickl sehr dankbar. Der Roman hat dafür gesorgt, dass ich mich noch einmal auf andere Art und Weise mit den Themen Patriarchat, Feminismus und struktureller gesellschaftlicher Ungleichheit beschäftigt habe und ich möchte das Buch am liebsten jeder Frau, jeder Mutter, jeder Tochter, aber auch jedem Mann, Vater, Sohn in die Hand legen.
Aber ich erzähle euch erst einmal was zur Geschichte. In dem Buch geht es um drei Frauen. Der Roman beginnt damit, dass Helene, Mutter von drei Kindern, beim gemeinsamen Abendessen plötzlich aufsteht und vom Balkon springt. Dass das alles natürlich nicht plötzlich geschieht, sondern eine jahrelange Vorgeschichte aus Erschöpfung, Wut, Schmerz und Ungerechtigkeit vorangeht, erfahren wir im Verlauf des Romans.
Erzählt wir die Geschichte dann abwechselnd von Lola, Helenes Tochter, die nun mutterlos zurückbleibt und von Sarah, Helenes bester Freundin, die bei Helenes Familie einzieht und versucht, die Leerstelle, die Helene hinterlassen hat, zu füllen.
Und oh wie hat mich das alles wütend gemacht. Zum Bespiel Sarah, die sich ohne mit der Wimper zu zucken in das selbe ausbeuterische System pressen lässt, obwohl sie es doch eigentlich besser wissen müsste. Sie kümmert sich fast schon aufopfernd um die drei Kinder, schmeißt den Haushalt, gibt ihre Routinen auf, um der Familie in ihrer Not zu helfen. Und ihre Arbeit, ihre eigene Beziehung, das alles muss plötzlich nebenher laufen. Und Helenes hinterbliebener Mann lässt das alles nicht nur geschehen lässt, sondern nutzt das in Frauen über Generationen hineinsozialisierte Hilfegeben und Versorgen schamlos aus. Schamlos, weil es natürlich auch in ihm internalisiert ist und so vieles unbewusst abläuft und für selbstverständlich hingenommen wird.
Natürlich habe ich vieles von dem, was im Roman beschrieben wird, schon gewusst. So wie wahrscheinlich jede*r, die sich nicht erst seit gestern mit dem Thema Feminismus beschäftigt. Und doch war es für mich etwas anderes, die Fakten zu kennen, als sie hier in eine so authentische und realitätsnahe Form literarisch verarbeitet vor mit zu haben und zu erleben. Die Gefühle, die das in mir ausgelöst hat, waren so viel größer, als es Sachtexte auszulösen vermögen. Und zu wissen, dass es so, so vielen Frauen so geht. Das dieser Roman ihren Alltag beschreibt. Einen Alltag, in dem ganz selbstverständlich erwartet wird, dass die Frau ihre Bedürfnisse hinten anstellt, um für die Familie zu sorgen. Die ganz selbstverständlich den Großteil der Care Arbeit verrichtet, ohne dafür Dank und Anerkennung zu erhalten. Die natürlich alle Arzt- und Schultermine, sowie Geburtstags- und Einkaufslisten im Kopf hat. Die weiß, welches das aktuelle Lieblingsstofftier ist und welches Essen zur Zeit gar nicht geht. Die so viel von sich selbst und der eigenen Zeit aufgibt. Und für die das alles dann auch noch "die Erfüllung" zu sein hat. Boah, was für ein Druck. Und das alles hat sich während der Corona-Pandemie noch verschärft. Familien, besonders Mütter wurden allein gelassen. Auch diesen Aspekt verarbeitet die Autorin sehr gekonnt in ihrem Roman.
Einen anderen Aspekt bringt die Figur der Tochter Lola in die Geschichte ein. Sie zeigt, wie es auch anders geht. Sie hinterfragt, sie ist wütend, sie sieht die Ungerechtigkeit im System und weiß auch: das will ich nicht! Sie macht ihrem Ärger Luft, kann ihre Wut in Worte fassen und die Fehler benennen. Wir begleiten sie auf ihrem Weg des Widerstandes, der nach und nach immer wütender und radikaler wird.
Insgesamt war es für mich aufwühlend und scherzhaft, diese Geschichte zu verfolgen, aber ich habe auch jede Seite genossen und gefeiert. Was für ein aktuelles und wichtiges Buch, das so viel in Worte fasst, was sonst nur als irgendwie diffuses Hintergrundrauschen in meinem Kopf wabert.
Fazit:
Ich kann für "Die Wut, die bleibt" von Mareike Fallwickl nur eine ganz große Leseempfehlung aussprechen. Das Buch ist ehrlich, authentisch, es trifft einen mit ganzer Wucht und kann wohl niemanden kalt lassen.