Dreißig Sekunden, eine Kugel…und plötzlich ist alles anders. Diese leidvolle Erfahrung muss Noémie Chastain machen, als ein Einsatz des Pariser Drogeneinsatzkommandos aus dem Ruder läuft. Der Verdächtige schießt um sich, eine Kugel trifft die Kommissarin mitten ins Gesicht. Sie kann gerettet werden, doch trotz Operation bleibt die linke Seite entstellt. Zwar kämpft sie sich mit Hilfe eines Therapeuten ins Berufsleben zurück, muss aber nach ihrer Rückkehr feststellen, dass sie vorerst den Platz in ihrem Team verloren hat. Übergangshalber soll sie für einen befristeten Zeitraum im okzitanischen Département Aveyron eine Dienststelle überprüfen, die vor der Schließung steht. Die dortige Verbrechensrate tendiert gegen Null, die Personalkosten stehen in keinem Verhältnis dazu. So weit, so gut.
Doch kurz bevor ihre Zeit dort abgelaufen ist und die Rückkehr nach Paris ansteht, treibt in dem nahegelegenen Stausee von Avalone ein Plastikfass an die Oberfläche, in dem die verweste Leiche eines Kindes liegt. Und schon ist Noémie Chastain mitten in einem Fall, der nie aufgeklärt wurde. Als vor fünfundzwanzig Jahren das alte Dorf geflutet wurde, verschwanden drei Kinder spurlos, ob tot oder entführt, konnte nicht geklärt werden. Es gab zwar einen verdächtigen Wanderarbeiter, aber keine Beweise für seine Beteiligung, und das Schicksal der Kinder konnte nicht geklärt werden. Bis jetzt, auch wenn die Kommissarin gegen den Widerstand der Dörfler ermitteln muss, die eine Mauer des Schweigens um die Vergangenheit errichtet haben. Aber noch weiß sie nicht, dass sie sich damit in große Gefahr begibt.
Das titelgebende „versunkene Dorf“ als Schauplatz für diesen gleichnamigen Kriminalroman zu wählen, bringt eine ganz besondere Atmosphäre mit sich. Packende Spannung, mit jeder Menge falscher Fährten. Geheimnisvoll und etwas gruselig, wenn man darüber nachdenkt, welche Geschichten, welche Schicksale mit den Wasserfluten untergegangen sein könnten. Norek fängt dies mit stimmungsvollen, aber nie banalen Beschreibungen ein, macht oft nur Andeutungen und überlässt es der Fantasie des Lesers, die Leerstellen zu füllen. Bei der Beschreibung der Polizeiarbeit hingegen ist er sehr präzise und realitätsnah, was nicht weiter verwundert, da er ausgebildeter Polizist ist und auch achtzehn Jahre in diesem Beruf gearbeitet hat.
„Surface“, so der Originaltitel dieses Kriminalromans, wurde verdientermaßen mit dem Prix Maison de la Presse, dem Prix Relay, dem Prix Babelio-Polar und dem Prix de l'Embouchure ausgezeichnet. Nachdrückliche Leseempfehlung!