Ein Psychothriller, der sich langsam entfaltet
An „Marta schläft“ hatte ich ehrlicherweise keine großen Erwartungen. Weder der Klappentext noch das recht schlichte schwarz-weiße Cover sagten groß etwas aus. Einzig ein paar Meinungen, die ich bisher ...
An „Marta schläft“ hatte ich ehrlicherweise keine großen Erwartungen. Weder der Klappentext noch das recht schlichte schwarz-weiße Cover sagten groß etwas aus. Einzig ein paar Meinungen, die ich bisher so aufgeschnappt hatte, versprachen eher ein durchwachsenes Lesevergnügen. Aber so etwas spornt mich ja eher an, denn ich möchte mir gern eine eigene Meinung bilden, da Geschmäcker bekanntlich verschieden sind.
Ich kam recht gut in „Marta schläft“ rein. Zu Beginn wurde ich mit drei unterschiedlichen Erzählperspektiven vertraut gemacht. Icherzählerin Nadja berichtete mir im aktuellen Zeitgeschehen von ihren Gedanken, Gefühlen und wie sie in eine ziemlich abstruse Situation hineinschlitterte, welche sie versuchte, mit ihren zahllosen Ängsten und Zweifeln zu meistern.
Der personale Erzähler nahm mich mit zu Nelly und deren Erlebnisse im Jahr 2014. Und dann gab es noch mysteriöse Briefausschnitte, wo nicht klar war, wer schreibt da an wen. Insgesamt schien alles irgendwie so gar nicht miteinander zusammenzuhängen und ich war anfänglich wirklich sehr ratlos. Es dauerte auch eine ganze Weile, bis die Geschichte an Fahrt aufnahm.
Romy Hausmann ließ sich mit ihrer Inszenierung Zeit. Es war nicht so, dass ich mich gelangweilt hätte, aber das Spannungslevel war schon recht niedrig. Ein paar vereinzelte Theorien schwirrten durch meinen Kopf, aber irgendwie wollte nichts wirklich passen.
Doch plötzlich lüftete sich der Vorhang, eine kleine Ecke erlaubte mir einen Blick auf das große Ganze und ich war mit einem Mal völlig gefangen in der Geschichte.
Ein perfides Psychospiel entblätterte sich da vor meinen Augen und ließ mich vor Aufregung zittern. Oh ja, ich konnte es gar nicht fassen, wie sich alles so schlüssig und unfassbar gut ausgearbeitet vor mir ausbreitete. Und immer, wenn ich dachte: „Jetzt habe ich es durchschaut“, brachte Romy Hausmann eine so scharfe Wendung in die Ereignisse, dass ich es vor Spannung kaum aushielt.
Dazu kam der fesselnde Schreibstil, der mich durch die ich-Perspektive emotional richtig nah ran an Nadja brachte, mich aber durch den personalen Erzähler wieder auf Distanz schickte. Das erzeugte ein Wechselbad der Gefühle. Ich litt, bangte und hoffte mit Nadja, hatte Mitleid mit ihr und wünschte ihr Kraft dies alles durchzustehen.
Auf der anderen Seite musste ich oft den Kopf vor Fassungslosigkeit schütteln, weil die menschlichen Abgründe wirklich sehr dunkel sein können.
Das alles klingt jetzt nach einem absoluten Lesehighlight und bis auf den letzten Meter war ich auch fest überzeugt, dass es eins für mich werden würde. Doch dann, tja, da kam das Ende. Ich habe mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Mir leuchtet der Schluss von „Marta schläft“ kein bisschen ein. Für meinen Geschmack passte er überhaupt nicht zum Buch. Er wirkte so lustlos dahin geklatscht, irgendwie musste ja das Ganze zum Ende kommen. Empfand ich die Entwicklungen bis zu einem gewissen Punkt als vollkommen logisch und realistisch, so saß ich nach dem Zuschlagen des Buches einfach nur ratlos davor. So ein packender Psychothriller und dann das. Schade. Das Ende hat mir diese Geschichte schlussendlich vermiest. Ich konnte das Handeln der einzelnen Figuren einfach nicht mehr nachvollziehen, es passte irgendwie nicht zu dem Bild, dass ich mir von ihnen während des Lesens gemacht hatte. Außerdem wirkte es nicht schlüssig und ich fragte mich ernsthaft, wozu dieser ganze Aufwand so umständlich betrieben wurde, wenn es am Ende auch so viel einfacher hätte gelöst werden können, wie es zum Schluss auch kam.
Fazit:
Ein Thriller, der braucht, bis er sich zur vollen Blüte entwickelt hat, dann aber auf den letzten Metern so rasant in sich zusammenfällt, dass es dem Buch insgesamt nicht gerecht wird.