Für mich zu geradlinig und perfekt, um wahr zu sein
„Familie bedeutet nicht, dass du dich ausruhen kannst, es ist genauso ein möglicher Katastrophenplatz wie die Welt da draußen. Du bist involviert auf Lebenszeit.“, so drückt es Megumi, eine Freundin aus ...
„Familie bedeutet nicht, dass du dich ausruhen kannst, es ist genauso ein möglicher Katastrophenplatz wie die Welt da draußen. Du bist involviert auf Lebenszeit.“, so drückt es Megumi, eine Freundin aus dem internationalen Freundeskreis der Protagonistin Joni aus.
Joni ist eine Karrierefrau mit Kindern, allerdings ganz anders als ich es erwartet hatte. Der Roman ist keine Beschreibung, wie man Familie und Beruf unter einen Hut bekommt, es ist vielmehr eine Darstellung des Preises, den man selbst und die Familienmitglieder für eine richtige Karriere bezahlen. Das Leben ist zwar luxuriös, aber auch unendlich durchgetaktet. Ein Termin jagt den nächsten, zwischendurch bleiben oft nur wenige Stunden für Privates. Wenn das Ganze weltumspannend stattfindet, wird nicht unerheblich viel Lebenszeit verwendet, um das jeweils nächste Ziel zu erreichen. Es ist ein extravagantes Nomadenleben. Um nicht ständig allein zu sein, braucht es überall auf der Welt tolerante Freunde, die spontan diese wenigen Stunden ausfüllen. Joni ist in der glücklichen Lage, das Alles perfekt organisiert zu bekommen und überall mit offenen Armen empfangen zu werden.
Doch wo bleibt ihre Familie, wie erleben die Kinder ihre Mutter? Genau das wird hier in einem neutralen Blickwinkel betrachtet. Es beginnt mit Jonis Aufwachsen bei den 68er-Eltern, geht über in eine überstürzte Liebe zum Vater ihrer Kinder. Wir tauchen kurz in die DDR-Diplomatie ein. Warum das Alles berichtet wird, muss man sich selbst zusammenreimen. Hier und da hätte ich mir etwas mehr Erläuterung gewünscht, um die Glaubwürdigkeit der Aussagen zu stärken. Dafür begegnen wir unzähligen Freunden und Bekannten, die Jonis Leben bereichern. Das alles betrachten wir lediglich von Außen als schönes gemeinsames Mahl oder als wunderbaren Ausflug. Wie das Innenleben von Joni und ihrem Umfeld aussieht wird kaum bis gar nicht thematisiert. Vielleicht ist es zu schmerzhaft, sich damit auseinander zu setzen, aber genau das hätte ich noch viel lieber gelesen.
Das Gelesene insgesamt wirkt mir dadurch zu perfekt, zu glatt und damit nicht glaubwürdig. Es liest sich wie eine Illusion, wie man als Karrierefrau sein Leben vielleicht fortschreibt, bevor die Kinder da sind. Denn trotz Trennung vom Vater der Kinder ist alles irgendwie harmonisch, ohne jegliche Zwistigkeiten. Das setzt aus meiner Sicht eine überbordende, ja schon unmenschliche Rationalität bei allen Beteiligten voraus, um dieses beste Leben für Joni und ihre Familie zu gestalten.
Obwohl sich der Roman angenehm hat lesen lassen, konnte mich die Autorin dennoch nicht überzeugen. Das Gelesene ist so weit weg, von dem, was ich in meinem Arbeitsumfeld im Zusammenhang mit Kindern erlebe, dass ich die Schwelle zum Glauben an die Realität der „Frau in den Wellen“ nicht überschreiten kann.