In einer kleinen, bayrischen Kleinstadt im Jahre 1940, lebt Maria zusammen mit ihrer Tochter Anna und der russischen Hausangestellten Nadja. Marias Mann, Werner, ein Offizier, wurde eingezogen. Er schreibt jedoch regelmäßig Briefe an sie, obwohl sich beide bereits vor seiner Abreise entfremdet hatten. Auf dem Lande geht es etwas beschaulicher zu, dennoch dringt der Hass auf Ausländer auch bis in ihr Dorf. Selbst Nadja, gerät ins Visier mancher verbohrter Dörfler und so steht eines Tages die Gestapo vor der Tür, um sie abzuholen.
Maria hat jedoch noch einige andere Probleme. Ihr geliebter Bruder Philip, der in München lebt, bittet sie darum, seine englische Frau Vivien und Tochter Antonia für unbestimmte Zeit bei sich aufzunehmen, da er in seiner Wohnung heimlich Juden vor den Nazis versteckt. Maria ist hin und hergerissen, denn sie fürchtet sich davor, dass Viviens Identität für Schwierigkeiten sorgen könnte, doch sie kann Philip nichts abschlagen und so ziehen Vivien und Antonia bald bei Maria und Anna ein. Während sich die Mädchen trotz all ihrer Unterschiedlichkeiten schnell miteinander anfreunden, müssen sich Maria und Vivien, die aus völlig anderen Welten stammen, zunächst einmal näher beschnuppern. Doch ihre Zweckgemeinschaft und ihr Wunsch, Menschen wie Nadja zu helfen, schweißt sie in den Kriegsjahren näher zusammen…
Wie die Autorin in ihrem Nachwort schreibt, handelt es sich bei ihrem aktuellen Roman „Die Stunde unserer Mütter“, um die Geschichte ihrer eigenen Familie und bei einem solch persönlichen Werk, ist es sicherlich auch eine schwierige Gratwanderung, Realität und Fiktion miteinander zu verbinden. Vor allem aber wird die Autorin sicherlich auch mit sich gerungen haben, in welchem Maße sie überhaupt wahre familiäre Dinge einfließen lassen möchte. Zumindest könnte ich mir das gut vorstellen.
Zunächst einmal fand ich die Ausgangssituation sehr interessant. Zwei unterschiedliche Frauen, die über Philip, Marias Bruder miteinander verwandt sind, eigentlich nie einen besonderen Draht zueinander hatten und nun, in einer schwierigen Zeit plötzlich zusammenhalten müssen und ihre pubertierenden Töchter, die ebenfalls ein sehr unterschiedliches Wesen aufweisen. Das Ganze spielt größtenteils auf dem Land und umfasst die Jahre 1940-1945. Fünf Jahre voller Entbehrungen, Enttäuschungen, Zurückweisungen, Trauer und Hoffnung.
Nebenher wird allerdings auch die Geschichte von Marias Eltern, Friedrich und Elsa erzählt, die ebenfalls ihre Probleme und Geheimnisse haben. Somit ist das Ganze eher als Familiensaga ausgelegt, was an sich ja durchaus spannend sein kann.
Leider hatte ich beim Lesen aber das Gefühl, als wolle die Autorin womöglich zu viel. Sechs Akteure und ihre Gedanken, Gefühle und Wünsche in Gänze darstellen zu wollen, vermag einiges an Fingerspitzengefühl. Und schnell kann es dazu in einem solchen Fall passieren, dass der ein oder andere Akteur zu blass beschrieben bleibt. Genau das habe ich beim Lesen des Romans nämlich empfunden. Hier ein paar Beispiele: Wieso sich Maria und Werner überhaupt entfremdet haben, wird eigentlich nur schemenhaft umrissen und auch ihre Versöhnung geschieht so rasch, unspektakulär und eigentlich kaum nachvollziehbar für mich, dass ich mir gewünscht hätte, dass Marias und Werners persönlicher Hintergrund viel mehr ausgeleuchtet worden wäre. Wobei Werner sowieso eher Staffage bleibt, über den man kaum etwas erfährt, außer wenn man seinen „Small Talk“ in seiner Feldpost verfolgen darf.
Genauso verhält es sich mit Vivien und Philip. Die beiden, die sich angeblich so sehr lieben, dass Philip aus Sorge um sie beschließt, sie und ihre gemeinsame Tochter aufs Land zu schaffen, haben während der fortlaufenden Geschichte so gut wie keinen Kontakt mehr miteinander, was ich schwerlich verstehen konnte. Und auch einer klärenden Aussprache geht die ansonsten kämpferische Vivien so völlig aus dem Weg und fügt sich sang und klanglos der veränderten Situation? Ich fand es sehr schade, dass wichtige Romanpassagen und Handlungsstränge so knapp abgehandelt wurden, denn die Familiensaga an sich hatte viel Potential. Oftmals besitzen Romane vermeidbare Längen; hier ist jedoch das Gegenteil der Fall. Um allen Handlungen und Akteuren in diesem Roman gerecht zu werden, hätte „Die Stunde unserer Mütter“ mindestens 100-150 Seiten mehr vertragen können. Auch Nadjas Schicksal, oder die Schwierigkeiten, die Maria mit ihrer Tochter Anna hatte, die wahrscheinlich unter Essstörungen litt?, kamen viel zu kurz. Und Philips mutige Taten, fanden ebenfalls keine Erwähnungen mehr.
Wunderbar beschrieben fand ich dagegen Antonias tragische erste große Liebe. Diese Romanpassagen gingen mir sehr unter die Haut.
Obwohl „Die Stunde unserer Mütter“, ein Roman ist, der in Kriegszeiten spielt, wird der historische Hintergrund zum Teil zu stiefmütterlich behandelt. Daher und aus oben genannten Gründen, kann ich für diesen Roman auch nicht mehr vergeben, als 3.5 von 5 Punkten. Es ist eine leichte Unterhaltungslektüre, die gewisse Einblicke in die Zeit des zweiten Weltkriegs bietet, doch leider fehlt ihr zu einer besseren Bewertung für meinen Geschmack mehr Ausführlichkeit und Substanz, so leid es mir für die Autorin und ihr Werk auch tut.
Kurz gefasst: Eine zunächst unfreiwillige Frauen-WG- Die interessante Geschichte einer Familie in Kriegszeiten; allerdings für meinen Geschmack zu kurz und knapp abgehandelt.