Die Kraft der Sprache
"BABEL" von R.F. Kuang entführt uns ins Jahr 1828 und erzählt die Geschichte von Robin Swift, einem chinesischen Waisenjungen, der am renommierten Königlichen Institut für Übersetzung (Babel) in Oxford ...
"BABEL" von R.F. Kuang entführt uns ins Jahr 1828 und erzählt die Geschichte von Robin Swift, einem chinesischen Waisenjungen, der am renommierten Königlichen Institut für Übersetzung (Babel) in Oxford studiert. Das Besondere an Babel ist, dass hier nicht nur Sprachen, sondern auch Magie gelehrt wird. Als Robin den Verrat an seinem Mutterland erkennt, findet er sich zwischen den Fronten von Babel und dem Hermes-Bund wieder, einer Organisation, die gegen die imperiale Expansion kämpft.
Was mich an diesem Buch beeindruckt hat, ist die intensive Charakterpsychologie und der historische Detailreichtum, den Kuang gekonnt einbringt. Ungeschönt thematisiert sie den Alltagsrassismus und Sexismus der damaligen Zeit. Dabei legt sie den Fokus auf die facettenreichen Charaktere und das faszinierende Leben in Babel. Die politischen Intrigen und der Widerstand gegen das Imperium sorgen für ein paar spannungsgeladene Momente. Der Protagonist in Kuangs Werk steht hauptsächlich durch seine Zerrissenheit im Vordergrund. Die Suche nach seiner eigenen Identität, die stark von der Sprache abhängt, wird sehr gut dargestellt. Dadurch regt das Werk von Kuang auch zum Nachdenken an. Es lädt uns ein, über die Macht der Sprache, die Strukturen der Macht und historisches Unrecht nachzudenken. Außerdem fand ich die Gefühlswelt von Einwanderern sehr interessant, da sich scheinbar mit der Akzeptanz einer fremden Lebensweise und Sprache immer eine gewisse Entfernung von den eigenen Wurzeln ergibt, was zu einer Identitätskrise führen kann.
Trotz all dieser positiven Aspekte muss ich leider zugeben, dass "BABEL" für mich persönlich kein besonderes Lesehighlight war. Die Hauptfigur, Robin Swift, blieb für mich zu farblos und uninspiriert, während andere Charaktere deutlich interessanter erschienen. Die Geschichte selbst litt unter einem Mangel an Authentizität und emotionaler Tiefe. Die Zeitabläufe waren undeutlich, die Handlung plätscherte teilweise vor sich hin, und tragische Szenen wirkten nicht immer stimmig im Gesamtkontext. Manche Kapitel hingegen fand ich absolut unnötig und wirklich störend (Rückkehr aus China). Es war fast so, als würde ich eine oberflächliche Zusammenfassung einer Romanreihe lesen, anstatt vollständig in das Abenteuer einzutauchen.
Alles in allem empfand ich "BABEL" als eine fesselnde Lektüre, die mich tiefgründig über die Themen Sprache/Übersetzung, Integration und soziale Ungerechtigkeit nachdenken ließ. Die einzigartige Magie in diesem Buch hat mich begeistert und nein, es hat keinster Art und Weise etwas mit Harry Potter gemein, auch wenn das bei der Vermarktung des Buches anders wirkt. Mein Fazit lautet: Ich gebe dem Buch 4 von 5 Punkten.