Liebe und Achtsamkeit legt ohne toxisches Machtgefälle
„fig – Pariser Nächte“ habe ich als Hörbuch gehört. Da für mich der Hörgenuss mit der Sprecherstimme steht und fällt, bin ich ganz froh, dass ich Olivia York gut hören kann. Sie schafft es, die Szenen ...
„fig – Pariser Nächte“ habe ich als Hörbuch gehört. Da für mich der Hörgenuss mit der Sprecherstimme steht und fällt, bin ich ganz froh, dass ich Olivia York gut hören kann. Sie schafft es, die Szenen lebendig wirken zu lassen und ich kann mich in die Erzählungen rund um Fey, Pierre und Yanis fallen lassen.
Ich mag es, dass Poppy Lamour durch eine kleine Wiederholung der Geschehnisse von Band 1 meine Erinnerungen auffrischt. Sie macht dies aber so geschickt, dass der Lesende zwar im Groben erfährt, was sich von Anfang bis zum aktuellen Moment ereignet hat, jedoch die genaueren Details spannungsvoll im Dunkeln bleiben. Wer mag, kann also ohne Vorkenntnisse „fig – Pariser Nächte“ lesen, ich empfehle aber dennoch mit Band 1 „fig“ zu starten. Dort werden die Persönlichkeiten von Fey, Pierre und Yanis viel intensiver ausgearbeitet und beleuchtet. Des Weiteren ist auch die Entwicklung der drei Hauptfiguren viel schöner ersichtlich.
Die polyamore Beziehung zwischen Fey, Pierre und Yanis wird zu Beginn sehr ausführlich geschildert und aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Ich mag den Gedanken dahinter, mir ist es aber bisweilen zu viel. So entstehen Längen und leider auch Wiederholungen, die meine Gedanken schweifen lassen und ich nicht mehr so gewissenhaft zuhöre. Für meinen Geschmack hätte es gerade am Anfang wesentlich geraffter erzählt sein können, denn ich habe schnell verstanden, worauf es bei einer polyamoren Beziehung ankommt. Das muss ich nicht aus drei verschiedenen Perspektiven mehrfach erzählt bekommen.
Es dauert also ein wenig, bis ich in „fig – Pariser Nächte“ ankomme. Der Titel ist Programm, denn die drei reisen nach Paris für eine Vernissage mit Yanis‘ erotischen Fotografien. Ich habe Lust, gedanklich nach Paris zu reisen, allerdings wird Paris vom Setting her nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen. Die Vernissage hätte demnach überall auf der Welt stattfinden können. Das finde ich aber nicht weiter schlimm, denn das Ziel von Poppy Lamour war nicht, mir einen Sightseeing-Trip durch Paris zu schenken, sondern mit viel Gefühl aufzuzeigen, dass eine gefestigte Beziehung mit viel Liebe trotz schlimmsten Intrigen bestehen kann. Ich mag es, dass „fig – Pariser Nächte“ wieder eine sehr tiefsinnige Story geworden ist.
In Paris treffen Fey, Pierre und Yanis auf alte Bekannte und neue Menschen. Das bringt Abwechslung rein. Leider ist Olivia York nicht immer sattelfest in ihrer Stimmfärbung für einige Charaktere. Ganz besonders häufig fällt mir auf, dass sie besonders bei Kamie in den ersten Wörtern versucht, eine französische Aussprache zu kreieren, es dann aber wieder fallen lässt. Das finde ich irritierend und stört mich zunehmend. Es trifft häufig dann auf, wenn Kamie längere Zeit keinen Text hatte.
Ansonsten kann ich die Charaktere recht gut auseinanderhalten. Nur manchmal weiß ich in direkten Dialogen zwischen Pierre und Yanis nicht, wer gerade spricht.
Poppy Lamour beschäftigt sich sehr eingehend mit den unterschiedlichen Arten und Auswirkungen von Mobbing sowie Bodyshaming und was Diversity eigentlich bedeutet. Dadurch bekommt die Erzählung schon fast etwas poetisches, wie von Selbstliebe und der reinen Kunst als Medium zur Verdeutlichung von wirklich wichtigen Themen gesprochen wird.
Generell steht das Thema Liebe ganz im Fokus von „fig – Pariser Nächte“. Ihre Vielfältigkeit wird in den buntesten Farben beschrieben und gipfelt dabei recht häufig in detailverliebten Erotikszenen. Sie sind niveauvoll und so kunstvoll beschrieben, dass es mir viel Freude bereitet, ihnen zu lauschen. Olivia York leistet hier wirklich hervorragende Arbeit und ich kann mir alles sehr gut vorstellen.
Generell ist der Schreibstil von Poppy Lamour sehr bildlich und mit viel Raffinesse. Sie trifft immer den richtigen Ton, auch bei den Szenen, die menschliche Inkompetenzen verdeutlichen.
„fig – Pariser Nächte“ kommt ohne Machtgefälle und toxische Beziehungsmuster aus. Das weiß ich an diesem Buch sehr zu schätzen. Es geht um Liebe und Achtsamkeit, das wird in jeder Faser dieses Romans spürbar. Spannung kommt dennoch nicht zu kurz. Egal ob ein Blind-Event in völliger Dunkelheit oder ein Foto-Shooting mit jeder Menge Honig, „fig – Pariser Nächte“ schenkt Wärme und Licht.
Fazit:
Tiefergehende Gefühle gepaart mit reichlich erotischen Szenen verdeutlichen, wie wichtig es ist, wirklich frei über das eigene Leben bestimmen zu können. „fig – Pariser Nächte“ verfolgt andere Themen als Band 1, was der Geschichte eine interessante Weiterentwicklung ermöglicht.