Mika im echten Leben
Es gibt diese Romane, die du beginnst und denkst: naja, das wird ganz nett und du wirst dich gut unterhalten fühlen und dann beendest mit den Gedanken: das war jetzt eine richtig gute Geschichte. So erging ...
Es gibt diese Romane, die du beginnst und denkst: naja, das wird ganz nett und du wirst dich gut unterhalten fühlen und dann beendest mit den Gedanken: das war jetzt eine richtig gute Geschichte. So erging es mir mit "Mika im echten Leben". Gute Unterhaltung und obendrauf Tiefgang und Fragen, die mich eindringlicher beschäftigten, als ich es erwartet hätte.
Mikas Leben ist eher chaotisch. Sie weiß nicht mehr genau, ob es an dem Tag begann, an dem sie eine Tochter bekam, die von einem anderen Paar adoptiert wurde oder an dem Tag, an dem sie sich gegen ihre kühle herrische Mutter auflehnte und damit geordnete Bahnen und Strukturen verließ. Fakt ist: ihr Leben ist nichts, was sie vor ihrer nun 16-jährigen Tochter offen legen möchte und deshalb verändert sie zwei, drei, vielleicht auch vier Tatsachen bis plötzlich ein kompletter Schwindel daraus wird, der alles durcheinanderbringt.
Mika ist eine Protagonistin, mit der ich mich vom ersten Moment an anfreunden konnte. Ihre chaotische Art macht sie sehr sympathisch und es berührt mich wie sehr sie darum bemüht ist vor ihrer Tochter einen guten Eindruck zu machen. Das zeigt auch, in welchen Strukturen sie aufgewachsen ist. Ihre Eltern sind aus Japan in die USA ausgewandert, weil sie sich dort bessere Chancen für die Zukunft ihres Kindes erhofften und trafen dann dort auf eine so andere Kultur, die sich sehr von den eigenen Werten unterscheidet. Das spiegelt sich häufig in der Zerrissenheit und den kontroversen Anschauungen, die Mika und ihre Mutter haben, aber auch in der Identitätssuche, in der sich Penny, Mikas Tochter befindet.
Mit dieser Thematik bin ich als Nicht-Migrantin nicht konfrontiert und ich mag wie Emiko Jean es umsetzt, um mich und andere Leser*innen dazu zu bringen, darüber nachzudenken.
Die Suche nach der eigenen Identität ist der rote Faden in der Geschichte. Er beginnt bei Mikas Mutter, betrifft sie selbst und vor allem Penny, die bei Eltern aufwächst, die nicht ihre leiblichen sind und zudem eine andere Herkunft haben, was sich auch im Äußeren der Personen widerspiegelt. Aus beruflicher Erfahrung weiß ich wie schwierig die Situationen des Aufwachsens in Pflege- oder Adoptivfamilien sind, wie das wir sind nicht vom selben Blut immer im Raum stehen kann. Emiko Jean hat das richtig gut umgesetzt. Zeigt die Probleme, die damit einhergehen, auf Seiten der Eltern und der Kinder, aber auch, dass es funktionieren kann. Vor allem dadurch, dass offen damit umgegangen wird. Dass Fehler erlaubt sind und Elternschaft so oder so eine herausfordernde Aufgabe ist (ich sage nur Periodenparty...).
Emiko Jean ist es gelungen diese Themen in eine unterhaltsame Geschichte zu betten. Ich mag die Dialoge, den Humor, die Funken, die hier und da sprühen, die Generationenkonflikte und alle Figuren, egal ob in Haupt- oder Nebenrollen.