Bewegende Suche nach Freiheit
Cora, sie schätzt sich selbst auf 16 oder 17 Jahre, lebt als Sklavin auf einer Baumwollplantage, so wie ihre Mutter und ihre Großmutter vor ihr.
Als Ausgegrenzte, nicht nur vom Leben der freien Menschen, ...
Cora, sie schätzt sich selbst auf 16 oder 17 Jahre, lebt als Sklavin auf einer Baumwollplantage, so wie ihre Mutter und ihre Großmutter vor ihr.
Als Ausgegrenzte, nicht nur vom Leben der freien Menschen, sondern auch von der Gemeinschaft ihrer Mitgefangenen, bietet sich ihr die Möglichkeit zur Flucht.
Um der Plantage vollständig zu entkommen, ist allerdings viel mehr vonnöten als das Weglaufen an sich. Sklavenjäger, der allgegenwärtige Rassismus und die psychischen Nachwirkungen der Sklaverei sind nur einige der Übel, die den Entlaufenen ein Leben in Freiheit erschweren.
Auch, wer als Weißer das System der Sklaverei ablehnt und abzuschaffen versucht, tut dies oft unter Einsatz seines Lebens.
In diesem feindlichen, menschenverachtenden Klima versucht Cora, ihren Platz für ein unbehelligtes Leben zu finden.
Gefallen hat mir, dass das Leseexemplar eine historische Einordnung sowie ein Interview mit dem Autor beinhaltet. Allerdings wurde dort für meinen Geschmack etwas zu viel vorweggenommen, ich hätte es lieber später gelesen. Auch eine Karte wäre eine nette Zugabe gewesen, da ich nicht alle US-Bundesstaaten aus dem Gedächtnis verorten konnte, aber es ist ja kein Problem, das Ganze nachzuschlagen.
Der Roman wirkt auf mich sehr gut recherchiert, die offenkundigen absichtlichen Abweichungen natürlich ausgenommen. Das erfundene Element der Underground Railroad im wörtlichen Sinne- und ihre Möglichkeit zu operieren, ohne dass das Netz als Gesamtes auffliegt- hinzunehmen, fiel mir anfangs etwas schwer.
Stilistisch konnte Whitehead mich überzeugen, der Lesefluss war angenehm und auch die Übersetzung empfand ich als recht gelungen, aber manchmal hätte ich mir etwas weniger Betonung des Offensichtlichen gewünscht. Die ungeschönte Geschichte spricht für sich. Die handelnden Personen hingegen sind durchweg glaubwürdig und oft auch vielschichtig angelegt und in Cora sehe ich eine sympathische, enorm willensstarke Hauptfigur.
Sich komplett in die Gefühlswelt der Protagonisten hineinzuversetzen ist natürlich schier unmöglich, aber Whitehead schafft es bestens, dem Leser eine Ahnung davon zu verschaffen.
Ebenfalls anschaulich beschrieben waren die von Staat zu Staat enorm unterschiedlichen Arten des Umgangs mit Sklaverei und schwarzen Mitmenschen, auch die Gräueltaten an der indigenen Bevölkerung werden nicht ausgelassen. Auf wessen Rücken der Staat aufgebaut wurde, wird nicht vergessen; Widersprüche zwischen der Verfassung, dem Freiheitsstreben sowie den religiösen Überzeugungen eines Großteils der damaligen Bevölkerung einerseits und den traurigen Tatsachen andererseits werden evident.
Ein bewegender Roman, der hoffentlich noch etliche Leser erreichen kann.