Ein Verrat und so viel mehr! Atmosphärischer Mittelalter-(Liebes)Roman zum gefühlvollen Eintauchen und sich darin Verlieren! Großartig!
Durch Mark und Bein gehende mittelalterliche Liebes- und Lebensgeschichte(n), berührend, spannend und ergreifend!
„Der Verrat der Kaufmannswitwe“ ist mein erstes Buch von Silke Elzner, aber – um es gleich ...
Durch Mark und Bein gehende mittelalterliche Liebes- und Lebensgeschichte(n), berührend, spannend und ergreifend!
„Der Verrat der Kaufmannswitwe“ ist mein erstes Buch von Silke Elzner, aber – um es gleich vorwegzunehmen – weil es mir so gut gefällt, wird es nicht das Letzte sein, denn den Debütroman der Autorin, „Die letzte Fehde an der Havel“, muss ich nun natürlich auch lesen.
Aber zurück zur Kaufmannswitwe und dort erstmal ein paar Worte zum Cover: der Buchrücken in der Optik eines in Leder eingebundenen Buches hätte nicht passender sein können. Mit dieser optisch auf alt getrimmten Gestaltung hat die Designerin ebenso einen Volltreffer gelandet wie bei den Bilderrahmen, die Vorder- und Rückseite des Covers zieren und mit einem Blick erkennen lassen, dass es sich hier um Historisches handelt.
Ich bin wohl selten so schnell mitten in einer Geschichte angekommen, wie bei dieser, denn der wirklich angenehme Schreibstil, die bildhaften Personenbeschreibungen und die so wunderbar ersonnenen Charaktere haben mich sofort für diese Zeitreise ins späte 14. Jahrhundert vereinnahmt.
Apropos Charaktere: die eigentliche Hauptfigur dieser zum Teil auf historischen Fakten basierenden Geschichte ist die junge Magd Beleke, die sich auf der Suche nach „ihrem Ritter“ Rotger und an der Seite des jungen Lambert auf einen beschwerlichen und gefährlichen Weg von ihrem Heimatort Altena nach Dortmund macht und dort erst bei der titelgebenden Kaufmannswitwe Neyse und später bei Lambert Unterschlupf und ein Zuhause findet. Diese und alle anderen Figuren werden so wunderbar beschrieben, dass man meint, man stünde neben oder vor ihnen.
Die Autorin versteht es, ein Wechselbad der Gefühle zu erzeugen, denn mal geht es um erkennendes Erwachen und maßlose Enttäuschung, mal um selbstlose Großzügigkeit, zuweilen geht es erhitzt zu, an anderer Stelle packt einen das pure Entsetzen. Was gerade noch harmonisch schien, wird kurz darauf brutal und grausam. Auf unbeschreibliche Qualen und großen Hunger folgt eine wahrlich berührende Großherzigkeit, aus Zukunftsängsten entstehen Hoffnung und Zuversicht. Ernsten, lebensgefährlichen Szenarien schließen sich kleine, heitere Anekdoten an.
Und all diese Szenen sind es, die mir als Leser die Geschichte der damaligen Zeit und die teils fürchterlichen Zustände und das oft unbarmherzige Leben im Mittelalter vor Augen führen.
Aber diese Geschichte handelt auch von Liebe, von Sehnsucht und Verrat, von Verzweiflung und Not, von Liebe, blindem Vertrauen und ritterlichen Entscheidungen. Und von Liebe.
Mehr kann ich dazu nicht schreiben, ohne zuviel vom Inhalt und zu den einzelnen Figuren zu verraten.
Dass vom Ausgang mancher Geschehnisse nicht erzählt wird, sondern dieser erst später und fast wie nebenbei Erwähnung findet, hat mich ein bisschen gestört. Auch hätte ich mir bzgl. der Zeitabstände zwischen den einzelnen Kapiteln Hinweise gewünscht, denn wenn nicht nur wenige Stunden oder Tage, sondern einige Wochen oder Monate, manchmal sogar Jahre vergangen sind, erfährt man von eben diesen „Zeitsprüngen“ erst während des Lesens.
Das aber ist wirklich Jammern auf hohem Niveau, denn dieser historische Roman hat mir rundum und ausgesprochen gut gefallen, weil er zu Herzen geht und grausam ist und spannend und alles auf einmal. Da gibt es Blicke, die beim Lesen berühren, Berührungen, die man meint, fühlen zu können, Gefühle, die widersprüchliche Reaktionen hervorrufen, und Aktionen der Protagonisten, die mich allesamt in die Geschichte hineinziehen und fesseln. Meine uneingeschränkte Empfehlung!