Ein wenig Leben verfolgt die vier Freunde Jude, Willem, JB und Malcolm über dreißig Jahre und zeigt dabei immer wieder verschiedene Einblicke in ihre Leben. Das Buch verfügt nicht unbedingt über eine Haupthandlung, sondern besteht aus vielen verschiedenen Abschnitten und Sequenzen, springt dabei immer wieder in der Zeit zurück und auch, dass die Charaktere älter werden, fällt einem nicht direkt auf – man erfährt alles nach und nach, mit jeder weiteren Zeile, mit jeder Seite, die man umblättert.
Hauptcharakter des Romans ist Jude St. Francis, ein begabter Anwalt und klasse Klavierspieler, der eine traumatische Kindheit hinter sich hat. Nicht einmal mit seinen drei besten Freunden kann er über diese Erlebnisse sprechen und auch dem Leser erschließen sich diese erst ganz langsam. Neben Jude fokussiert die Geschichte auch nach und nach immer mehr auf Willem, einem Schauspieler und Judes längstem Freund. Gemeinsam bestreiten sie ihr Leben in New York, beenden das College, beginnen ihre Karrieren, leben sich auseinander, finden wieder zusammen und beweisen immer wieder aufs Neue, dass Freundschaft die einzig wahre Liebe fürs Leben ist.
Ich glaube, es ist sehr lange her, dass mich ein Buch so berührt hat, wie es Ein wenig Leben tat. Obwohl es mir am Anfang schwerfiel, in die Geschichte einzusteigen – ich musste mich daran gewöhnen, dass es keine durchgehende Haupthandlung gab und man somit von Anfang an von einigen Fakten „erschlagen“ wurde – habe ich mich doch mit jeder Seite etwas besser in die Leben von Jude, Willem, JB und Malcolm eingefunden. Vor allem Jude und Willems Geschichte habe ich direkt mit großer Neugier und Hingabe verfolgt, wurde regelrecht ein Fan von ihnen, und Ein wenig Leben zog mich schon bald so sehr in seinen Bann, dass ich den 900-Seiten-Klopper nicht mehr aus der Hand legen konnte. So spannend und herzergreifend der Roman auch ist, muss ich allerdings dazu sagen, dass viele Themen, die in Judes Geschichte verarbeitet werden, keine leichte Kost sind. Auch ich musste das Buch an einigen Stellen mehrmals aus der Hand legen, musste mich sammeln, das Gelesene auf mich wirken lassen und dann neuen Mut schöpfen, um Ein wenig Leben wieder aufzunehmen. Eine Triggerwarnung wäre hier vielleicht angebracht.
Der Roman ist nicht ohne Grund in aller Munde und auch ich werde sicherlich noch sehr lange über ihn reden. Ich möchte nicht zu viel verraten, möchte niemanden abschrecken oder einschüchtern, daher beende ich diesen Beitrag mit ein paar aufmunternden Worten: Jeder braucht einen Willem in seinem Leben. Mehr sage ich dazu nicht.