ein Kunstwerk
„Du bist okay.“
(Tillie an sisch selbst in Jetzt sind wir eins)
Worum geht’s?
Via Interrail durch Skandinavien: Das Videoprojekt ist Tillies letzte Chance auf ein Stipendium. Der Haken? Für professionellen ...
„Du bist okay.“
(Tillie an sisch selbst in Jetzt sind wir eins)
Worum geht’s?
Via Interrail durch Skandinavien: Das Videoprojekt ist Tillies letzte Chance auf ein Stipendium. Der Haken? Für professionellen Content braucht sie Hilfe. Den perfekten Reisepartner hätte sie sogar: Fotografiestudent Jonathan. Blöd nur, dass Tillie ausgerechnet seinem Bruder das Herz gebrochen hat und Jonathan sie seitdem hasst. Widerwillig sagt er zu – unter der Bedingung, das Tattoo auf ihrem Oberschenkel ablichten zu dürfen. Was sie dabei nicht einkalkuliert hat: Dass er beim Anblick der Narben unter der Tinte nicht wegsieht. Dass er Tillie eigentlich immer ansieht ...
Jetzt sind wir echt ist Band 1 der Jetzt-Reihe. Die Geschichte ist in sich geschlossen.
Schreibstil und inhaltliche Hinweise
Die Geschichte ist aus der Ich-Perspektive von Jonathan und Tillie erzählt. Der Schreibstil der Autorin ist wortgewandt und poetisch. Im Buch ist sexueller Content sowie möglicher Trigger enthalten.
Meine Meinung
Wörter können ein Meisterwerk sein. Zusammenhängend, einzeln, wirr durcheinander. Es gibt Bücher, bei denen geht es gar nicht so sehr um die Geschichte, sondern die Magie der Worte. Und dieses Buch gehört dazu. Generell die Bücher der Autorin. Ich weiß, dass viele Leute mit ihrem außergewöhnlichen, speziellen Schreibstil nur bedingt klarkommen, aber ich liebe, liebe, liebe ihn. So echt, so ungefiltert und so voller Gedanken und Emotionen, dass man beim Lesen selbst melancholisch wird, nachdenkt und vielleicht auch die ein oder andere Botschaft mitnehmen kann. Aber kommen wird zur Geschichte von Tillie und Jonathan…
In die Geschichte habe ich schnell und einfach reingefunden. Tillie ist von Anfang an ein mitreißender, komplizierter Charakter. Sie ist nach Absage ihres Stipendiums in Geldnot und möchte sich für ein anderes Stipendium bewerben, hierfür braucht sie aber eine besondere Art von Projekt. Das Leben für sie ist nicht einfach, sie hat Zwangsgedanken, die Stimme in ihrem Kopf erklärt ihr immer wieder, wie schmutzig sie ist. Schon von Anfang hat haben mich ihre Gedanken bedrückt, während sie gleichzeitig so viele nachvollziehbare sozialkritische Aspekte einfangen. Slutshaming, die Verurteilung der sexuellen Freiheit von jungen Frauen, die Leichtigkeit des Lebens im Kontrast zur Erwartungshaltung an Tillie und Tillies eigene Erwartungen an sie selbst. Als Tillies Ex Leander noch ein Gedicht veröffentlicht, in dem er Tillie als Medusa betitelt und ihr attestiert, dass sie ein furchtbarer Mensch ist, bricht mein Herz für sie endgültig. Die Abwärtsspirale ihrer Gedanken, in denen sie an sich selbst zweifelt, sich selbst fertig macht, weil sie Leander nicht lieben konnte und die stete Frage, ob sie ihm falsche Hoffnungen gemacht hat, ziehen sich durch die ganze Geschichte. Denn Leander ist Jonathans Bruder.
Jonathan ist ein relativ blasser Charakter, was angesichts von Tillies Präsenz für mich kein großes Problem war. Er hat ein unfassbar besonderes Auge für Fotografie und so kommt es, dass Tillie ihn als Partner für ihr Stipendiumsprojekt anfragt. Denn Jonathan sucht besondere Fotomodelle und Tillie mit ihren äußerlichen und inneren Narben ist genau, was er sucht und braucht. Aber er hat was gegen Tillie. Anfangs denkt man, dass es daran lag, dass sie Leander das Herz gebrochen hat, aber im zunehmenden Verlauf merkt man, dass er Gefühle für sie hat und sich daran stört, die „Freundin seines Bruders“ zu begehren. Als beide ihre Reise beginnen, ist Jonathan kühl, abweisend und teilweise fast schon fies zu Tillie, aber schon bald führt ihr Trip beide näher zueinander. Und hier beginnt ein emotionales Auf und Ab, was so greifbar war, dass ich wirklich mitgelitten habe. Tillies Zwangsgedanken, die Art wie sie zu sich selbst spricht, sich selbst herabwertet und dafür verurteilt, Jonathan zu begehren. Der Gedankenstrudel ist so wortgewaltig und ehrlich. Schonungslos, verworren und real. Ja, der Schreibstil mag kompliziert sein, aber das Buch lebt davon. Es lebt davon, so ungefiltert zu sein. So, als würden die eigenen Gedanken wild durcheinanderpurzeln. Einige Gedankengänge sind dabei fast schon poetisch, andere einfach nur roh und straight forward. Von der Reise der beiden kann ich als Leser ein wenig mitnehmen, aber es ist kein Roadtrip-Roman, wo man unglaublich viel von Landschaft und Kultur miterlebt, im Gegenteil steht die persönliche Entwicklung und die aufkeimende Beziehung so viel mehr im Fokus.
Als beide nach ihrem Trip zurückkehren, platzt die Realität in ihre frischen Gefühle. Es war klar, dass es so kommen muss und ich fand die Entwicklungen nachvollziehbar. Die Auswirkungen der Entwicklungen auf Tillies Gedanken war enorm greifbar und hat mich sehr mitgenommen. Die Autorin hat einfach ein super Fingerspitzengefühl dafür, wie sie mit solch schwierigen Themen umzugehen hat. Das gesamte Buch hat eine gewisse Schwere, Jonathan und Tillie sind auch beides gute Denker, die viel Kopfchaos mitbringen. Was mich leider nicht ganz so sehr abgeholt hat, waren die Spice-Szenen. Diese sind explizit beschrieben und auch nicht unbedingt 0815-Standard, für mein persönliches Empfinden haben sie nicht so sehr reingepasst, aber ich denke, da hat jeder eine andere Ansicht. Außerdem hat der Rest des Buches meine Gedanken diesbezüglich absolut überlagert, sodass es Meckern auf hohem Niveau ist.
Mein Fazit
Jetzt sind wir eins ist eine wunderbare Fortsetzung mit einer besonderen Protagonistin, vielen schweren Gedanken und jeder Menge Gefühl. Die Emotionen und Gedanken wirken echt und real, der Schreibstil ist wortgewaltig und besonders. Ich weiß, wieso ich die Bücher der Autorin so sehr liebe.
[Diese Rezension basiert auf einem vom Verlag oder vom Autor überlassenen Rezensionsexemplar. Meine Meinung wurde hiervon nicht beeinflusst.]