Sonntags in Trondheim – Anne B. Ragde
Mehr als drei Jahre sind vergangen, seit das unglaubliche Geheimnis der Neshovs gelüftet wurde. Der Hof, der die Familie einst ernährte, liegt brach und verfällt. Jeder geht seine eigenen Wege und man ist sich fremd geworden, lebt in seiner kleinen Welt. Margido führt immer noch sein Bestattungsunternehmen. Penibel und zuverlässig in seiner Arbeit, zurückgezogen und einsam in seinem Leben. Er kommt gelegentlich noch auf den Hof, nutzt einen Teil der Scheune als Sarglager. Ein schon beinahe symbolisches Bild für die Familie. Erlend, der zweite Sohn, ist immer noch glücklich mit seinem Mann Krumme. Inzwischen sind die Kinder, die sie mit dem lesbischen Paar Jytte und Lizzi gezeugt haben, geboren. Leon und die Zwillinge Ellen und Nora sind inzwischen drei Jahre alt und ergänzen die beiden Paare zu einer wahrhaft faszinierenden siebenköpfigen Familie. Torunn, die Tochter des dritten, bereits verstorbenen Bruders Tor, lebt noch mit Christer, dem Schlittenhundezüchter, der sich die Nächte erfolgreich mit Aktienhandel um die Ohren schlägt, zusammen. Längst ist es nur noch eine Zweckgemeinschaft und Torunn auf dem Absprung.
Anne B. Ragde bringt die Neshovs wieder zurück und ich habe mich selten über den vierten Teil einer Trilogie gefreut wie über „Sonntags in Trondheim“. Besonders hat es mir schon von Beginn an Erlend angetan. Dieser Mann ist einfach unglaublich. Unglaublich unterhaltsam, unglaublich hysterisch, unglaublich komisch, unglaublich liebevoll. In den Hörbüchern der ersten drei Teile wird er ganz großartig von Gustav Peter Wöhler gesprochen. Aber auch bei allen anderen Figuren wird der Charakter ganz sorgsam eingefangen: Der beinahe depressive Margido, die trotzende Torunn. Natürlich ist auch Tormod, der Alte, drei Jahre später noch in der Geschichte zu finden. Auch ihn, dem das Geheimnis am meisten zugesetzt hat, hat Anne B. Ragde seinen Platz finden lassen.
Gut gelungen finde ich die ganz vorsichtigen Fäden, die zu den ersten drei Büchern hin gesponnen werden. Es werden ganz geschickt die notwendigsten Informationen der Vorgeschichte eingeflochten, so dass man „Sonntags in Trondheim“ auch sehr gut als Einzelbuch lesen kann. ABER: Ich wüsste nicht, warum man auf „Das Lügenhaus“, „Einsiedlerkrebse“ und „Hitzewelle“ verzichten sollte. Wenn ich jemals in einem Roman zu Gast sein dürfte, wäre ich mittendrin bei Familie Neshovs. Ich hoffe sehr, dass diese Trilogie auch noch durch einen fünften Teil ergänzt wird!